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28.2 Deklaration von Zusatzstoffen und Rückständen

28.2.1 Trägerstoffe

Lebensmittelzusatzstoffe, die als Trägerstoffe einer Zutat dienen, gelten nicht als Lebensmittelzusatzstoff oder Zutat des Produktes und müssen deshalb nicht deklariert werden. Auf dem Etikett deklariert werden müssen nur Trägerstoffe, die der Allergenkennzeichnung unterliegen. Verbraucher erhalten also in der Regel keinerlei Informationen darüber, ob und welche Trägerstoffe in einem Produkt enthalten sind.

Im Gesetzestext wird dies wie folgt formuliert: Trägerstoffe sind “Stoffe, die verwendet werden, um Lebensmittelzusatzstoffe, -aromen oder -enzyme, Nährstoffe und/oder sonstige Stoffe, die einem Lebensmittel zu Ernährungszwecken oder physiologischen Zwecken zugefügt werden, zu lösen, zu verdünnen oder auf andere Weise physikalisch zu modifizieren, ohne ihre Funktion zu verändern und ohne selbst eine technologische Wirkung auszuüben, um deren Handhabung, Einsatz oder Verwendung zu erleichtern”. (13) Entsprechend der LMIV (Lebensmittelinformationsverordnung) müssen “Trägerstoffe und andere Stoffe, die keine Lebensmittelzusatz­stoffe sind, aber in derselben Weise und zu demselben Zweck verwendet werden wie Trägerstoffe, und die nur in den unbedingt erforderlichen Mengen verwendet werden” nicht auf dem Etikett des Produktes deklariert werden. (15)

Bei der Herstellung synthetischer, aber auch natürlicher Aromen und Farbstoffe, werden oftmals Trägerstoffe eingesetzt, um hoch konzentrierte Aromen oder Farbstoffe besser dosierbar zu machen. Diese Trägerstoffe müssen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben nicht im Zutatenverzeichnis des Endproduktes deklariert werden. Eine große Bedeutung besitzt diesbezüglich der Zweifachzucker Maltodextrin, der als (versteckter) Träger für sehr viele Superfood-Extrakte verwendet wird. Dieser ist zwar in geringem Maß nicht unbedingt schädlich, aber der gesundheitsbewusste Verbraucher sollte unserer Ansicht nach die Möglichkeit erhalten, zu verstehen, dass in dem von ihm verzehrten Produkt ein signifikanter Zuckeranteil enthalten ist und nicht nur das z. B. versprochene natürliche Acerola-Fruchtpulver mit Vitamin C.

Maltodextrin in Superfood-Extrakten

In der Praxis sind viele Superfoods von dieser Problematik betroffen. Von kaum einem Hersteller wird diese Vorgehensweise infrage gestellt und die enthaltenen Hilfsstoffe auf dem Etikett deklariert, da es gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. So finden sich insbesondere in vielen Superfood-Extrakten, wie Maca- oder Acerola-Pulver, nicht deklarierungspflichtige Hilfsstoffe. Diese Pulver werden aus Kostengründen auf den Trägerstoff (häufig Maltodextrin) sprühgetrocknet. Dabei handelt es sich um eine chemisch oder enzymatisch modifizierte Stärke, die nicht süß und fast geschmacksneutral ist.

Maltodextrin wird gerne von Bodybuildern und untergewichtigen Menschen als “Weight Gainer” genutzt, um Körpergewicht zuzulegen. Viele Sportler nehmen es als schnellen, wasserlöslichen Kohlenhydratlieferanten, der den Insulinspiegel nicht so stark beeinflusst. Gesundheitsbewusste Menschen und Menschen mit Gewichtsproblemen oder Diabetes sollten jedoch einen Überblick darüber haben können, wie viel Maltodextrin sie über Superfoods oder Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Wie stark und schnell es den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt, kann zudem unterschiedlich sein. Diabetiker sollten darauf grundsätzlich verzichten (können). Ab einer individuell verschiedenen Menge kann es zudem zu Nebenwirkungen wie Blähungen, Magen-Darm-Beschwerden, Unverträglichkeitsreaktionen und Übelkeit kommen. Personen, die bereits an solchen Symptomen und anderen Vorerkrankungen leiden, können sich nicht ausreichend darüber informieren, ob ihre Nahrungsergänzungsmittel versteckte Trägerstoffe enthalten. So ist es durchaus möglich, dass vermeintliche Unverträglichkeitsreaktionen nicht auf den Wirkstoff zurückgehen, sondern durch den Trägerstoff verursacht wurden (siehe Kapitel 21.1.2).

Interessant in diesem Zusammenhang: Der Schweizer Bio-Fachverband Bio Suisse entschied sich im Jahr 2019, die Verwendung von Maltodextrin nur noch als Insektizid und Akarizid in der Landwirtschaft zuzulassen, nicht mehr aber als Lebensmittelzusatzstoff für Bio-Lebensmittel. (802,803)

Synthetische Ascorbinsäure als Trägerstoff

Besondere Stilblüten treibt die Intransparenz der Trägerstoffe bei den sogenannten “100 % natürlichen Vitaminen” aus. So wurde uns schon häufig von einer Vielzahl an Lieferanten das beliebte Acerola-Pulver, welches eine natürliche Quelle für Vitamin C und Bioflavonoide darstellt, als “100 % natürliches Fruchtpulver” angeboten. Stutzig machten uns bei diesen Pulvern aber die extrem hohen Vitamin-C-Gehalte von über 40 %.

Nach intensiver Recherche in den Herstellerländern selbst mussten wir von unseren Mitarbeitern vor Ort erfahren, dass es eine sehr gängige Praxis ist, synthetische Ascorbinsäure oder Acerola-Extrakt als Trägerstoff zu verwenden, um Acerola-Pulver mit höheren und gleichbleibenden Vitamin-C-Werten auszustatten. Mit dieser Maßnahme kann ein Hersteller scheinbar 100 % natürliches Acerola-Fruchtpulver mit hohem und standardisiertem Vitamin-C-Gehalt gesetzeskonform anbieten und preislich die Konkurrenz unterbieten. Der Kunde muss über die zugefügte synthetische Ascorbinsäure als Trägerstoff nicht informiert werden. Auch auf dem Etikett wird nicht zwischen natürlichem Vitamin-C-Gehalt und Ascorbinsäure-Gehalt unterschieden. Synthetische Ascorbinsäure müsste nur dann auf dem Etikett deklariert werden, wenn es als Zusatzstoff (beispielsweise Antioxidationsmittel) eingesetzt wurde.

Erlebt haben wir auch, dass Acerola-Hersteller sogar Zertifikate über die “Natürlichkeit” des Rohstoffes ausstellen und so Lohnhersteller und Inverkehrbringer die Chance bekommen, die vermeintliche Natürlichkeit zu dokumentieren. Einen solchen Rohstoff können wir, unseren Ansprüchen an die Qualität und Reinheit unserer Produkte entsprechend, nicht als “100 % natürlich” in unser Sortiment aufnehmen. Durch den direkten Vergleich von Herstellern weltweit, dem direkten Einkauf unserer Rohstoffe vom Hersteller und der vollständigen Auslobung aller auch nicht deklarierunspflichtigen Stoffe, vermeiden wir solche Probleme und Intransparenzen. Wir nehmen daher auch Kostennachteile bei der Beschaffung von Rohmaterialien gegenüber Anbietern in Kauf, die die oben beschriebene Praxis bewusst oder unbewusst einsetzen oder in Kauf nehmen (siehe Kapitel 15.1.3).

Unzureichende Deklaration von Nanopartikeln

Nanopartikel sind in undefinierter Menge in bedeutenden Zusatz- und Trägerstoffen enthalten, die bei der Herstellung von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden. Aufgrund ihrer sehr geringen Größe (< 100 nm) verhalten sie sich anders als größere Partikel der gleichen Substanz. Der Gebrauch ist deshalb weit verbreitet und das, obwohl viele Studien potenzielle gesundheitliche Gefahren aufgezeigt haben und der Einsatz solcher Substanzen sehr kontrovers diskutiert wird.

Bisher besteht keine klare, bzw. keine aus unserer Sicht ausreichende Deklarationspflicht für Nanopartikel in Zusatzstoffen. Die gesetzlichen Vorgaben weisen hier unserer Ansicht nach große Lücken auf, sodass Verbraucher kaum die Möglichkeit haben, sich über den enthaltenen Anteil an Nanopartikeln in einem Produkt zu informieren. Die gesundheitlichen Folgen im menschlichen Körper sind bei der Einnahme solcher Produkte schwer absehbar.

Den Vorgaben in der LMIV und Novel-Food-Verordnung entsprechend, müssen nur absichtlich hergestellte Nanomaterialien als solche auf dem Etikett kenntlich gemacht werden. Entstehen die Nanopartikel bei der Produktion der Zusatzstoffe nur zufällig, muss dies nicht deklariert werden. Hinzu kommt, dass mindestens 50 % der Partikel eines Stoffes Nanogröße haben müssen, damit es überhaupt als Nanomaterial gilt. (15,804,805) Das bedeutet also, dass bis zu 50 % (!) Nanopartikel in einem Stoff enthalten sein dürfen, ohne dass dies für den Verbraucher kenntlich gemacht werden muss. Auf den Punkt gebracht: Nanopartikel müssen nur dann deklariert werden, wenn sie absichtlich hergestellt wurden und mindestens 50 % des Stoffes ausmachen. Der Großteil der überall vorhandenen Nanopartikel ist also für den Verbraucher gar nicht erkennbar!

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) prüft dabei immer wieder, ob bestimmte, erlaubte Lebensmittelzusatzstoffe als technisch hergestellte Nanomaterialien eingestuft werden müssten. Dazu zählen insbesondere Titandioxid (E 171), aber auch Siliciumdioxid (E 551), Calciumsilicat (E 552), Magnesiumsilicat (E 553a), Calciumcarbonat (E 170), Talkum (E 553b), Pflanzenkohle (E 153), Eisenoxide und Eisenhydroxide (E 172), Silber (E 174) und Gold (E 175) (siehe Kapitel 22).

Spätes Verbot von Titandioxid

Hier mahlen die Mühlen aber sehr langsam. Noch 2016 sah die EFSA beispielsweise keine Bedenklichkeit für Titandioxid, obwohl bereits wissenschaftliche Untersuchungen Bedenken äußerten. Frankreich verbot den Stoff dann 2020 in Lebensmitteln, während die EFSA ein EU-weites Verbot erst ab 2022 aussprach. Aus unserer Sicht ist es unverständlich, weshalb ein Stoff wie Titandioxid in Lebensmitteln so lange erlaubt war, obwohl er hauptsächlich nur für die Weißfärbung eingesetzt wurde (siehe Kapitel 22.2.1).

Mikrokristalline Cellulose (MCC) und Siliciumdioxid noch breit im Einsatz

Auf dem Markt fanden sich bis 2022 unzählige Nahrungsergänzungsmittel, die Titandioxid enthielten, obwohl dieser Stoff für die Fertigung keine Rolle spielt und lediglich als Farbstoff diente. Siliciumdioxid und mikrokristalline Cellulose (MCC) werden hingegen immer noch in großer Menge in sehr vielen Produkten eingesetzt. Bei diesen Zusatzstoffen ist nachweislich ein sehr großer Anteil an Nanopartikeln enthalten, der aber nicht deklariert werden muss. Viele Hersteller nutzen mikrokristalline Cellulose als Füllstoff, ohne dabei den Anteil an Nanopartikeln zu beachten oder kenntlich zu machen. Da die Nanopartikel bei der Herstellung der mikrokristallinen Cellulose nur zufällig entstehen, wird deren Anteil von den Herstellern so gut wie nie angegeben.

Nach langer Recherche konnten wir bisher nur einen einzigen Hersteller finden, der garantiert Nanopartikel-freie mikrokristalline Cellulose anbietet. Alle anderen Hersteller konnten uns nicht garantieren, dass in ihrem Produkt keine Nanopartikel enthalten sind. Wir vermeiden aus verschiedenen Gründen, soweit es möglich ist, den Einsatz von MCC und setzen, wenn überhaupt, nur die Qualität ein, die garantiert frei von Nanopartikel ist.

Siliciumdioxid verfügt über weniger große Anteile von Nanopartikeln. Dennoch stellen auch kleinste Mengen naturgemäß eine unglaublich große Zahl von Nanopartikeln. Zudem haben wir keinen Hersteller finden können, der eine Nanopartikel-freie Qualität garantieren konnte. Aus diesem Grund lehnen wir den Einsatz komplett ab. Dies führt auch dazu, dass wir einige interessante Produkte und Rohmaterialien nicht bei uns im Sortiment führen können, da sie nur mit Siliciumdioxid (teilweise nicht deklariert) verkauft werden (siehe Kapitel 22.2.2).

Als Verbraucher kann man also überwiegend davon ausgehen, dass bei Produkten, die solche Zusatzstoffe enthalten, Nanopartikel enthalten sind, die nicht deklariert werden müssen.

Für mehr Informationen zur Deklaration von Nahrungs(ergänzungs)mitteln siehe Kapitel 28.

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