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22.2.2 Siliciumdioxid

Amorphes Siliciumdioxid (SiO2), auch als hochdisperse Kieselsäure und bezeichnet, wird als synthetisch gewonnene Substanz in zahlreichen Bereichen – oft vom Verbraucher unbemerkt – eingesetzt. Grundsätzlich findet es sich häufig in Kosmetika, Pharmazeutika und Lebensmitteln und wird auch insbesondere für die Quarzglas-Herstellung, Halbleitertechnik, Landwirtschaft, Betonherstellung, Kunststoff- und Farbenindustrie verwendet. Für diese Zwecke wird es in sehr großen Mengen mithilfe verschiedenster Prozesse, vornehmlich durch Fällungsprozesse aus Quarzsand oder die Produktion über eine Knallgasflamme (pyrogenes Siliciumdioxid) synthetisch hergestellt.

Nicht zu verwechseln ist dieses technisch hergestellte, amorphe Siliciumdioxid (SiO2) mit der natürlicherweise in der Natur vorkommenden kristallinen Kieselsäure. In dieser Form bildet Siliciumdioxid einen der größten Bestandteile der Erdkruste und bildet den Großteil des Sandes am Strand.

Obwohl Siliciumdioxid allgemein (noch) als ungefährlich gilt und in der amorphen Form schon lange auf dem Markt eingesetzt wird, sind die Risiken für den Menschen nach wie vor unzureichend untersucht. Wir raten dazu, diesen Stoff bestmöglich zu meiden, vor allem aufgrund des unklaren Anteils an Nanopartikeln und den damit verbundenen unvollständig verstandenen Mechanismen auf zellulärer Ebene. Siliciumdioxid ist daher in keinem unserer Produkte enthalten.

Monokieselsäure und kolloidale Kieselsäure als Heilmittel

Nicht zu verwechseln ist die synthetische, hochdisperse Kieselsäure mit den beiden Formen von Siliciumdioxid, die als Gesundheits- und Heilmittel dienen können, nämlich Monokieselsäure (Mono-Siliciumdioxid) und kolloidale Kieselsäure (kolloidales Siliciumdioxid in Sol- oder Gelform). Diese finden sich natürlich in Thermalquellen, Mineralwässern, Ackerschachtelhalm-Tee, Zeolith, Silicea bzw. Siliciumdioxid-Gel, Kieselsäure (mit Silicium) aus Diatomeen-Algen und als Naturton. Diesen Formen werden viele positive Eigenschaften zugeschrieben; darunter die Bindung von Aluminium, Entgiftung, eine bessere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie eine Hemmung des Alterungsprozesses und Gesunderhaltung von Haut und Bindegewebe. (605)

Synthetisches, amorphes Siliciumdioxid

Für bestimmte Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel kommt das synthetisch hergestellte, amorphe Siliciumdioxid (E551) zum Einsatz: insbesondere für Trockenlebensmittel in Pulverform, Superfood-Pulver, Reibe-Käse, Nahrungsergänzungsmittel, Gewürze, Fertigsuppen, Kochsalz und (als nicht auf dem Etikett ausgewiesener) Trägerstoff von Emulgatoren, Aromen und Farbstoffen.

Siliciumdioxid als Gel oder kolloidale Lösung ist auch für Öko-Lebensmittel zugelassen. Dabei darf es jedoch nur für Kräuter- und Gewürzpulver, Aromen und Propolis Verwendung finden.

Besondere physikalische Eigenschaften

Das künstliche, amorphe Siliciumdioxid besitzt nicht die positiven Heileigenschaften der oben erwähnten Monokieselsäure und kolloidalen Kieselsäure. Es wird aber von der Industrie aufgrund seiner besonderen physikalischen Eigenschaften als Füll- bzw. Hilfsstoff sehr geschätzt. Der synthetische Stoff dient hier als äußerst gutes Fließregulierungsmittel, Adsorptions-, Viskositätserhöhungsmittel und Emulsionsstabilisator sowie als Tabletten- und Kapselsprengmittel für die Produktion von Pulver, Kapseln und Tabletten. Zudem wird es auch als Trägerstoff von Emulgatoren, Farbstoffen und Aromen genutzt.

Durch die große Oberfläche (>50 bis 200 m2/g) überziehen die äußerst kleinen Siliciumdioxid-Partikel die Wirk- und Hilfsstoffe des Produktes, reduzieren die Van-der-Waals-Kräfte, welche die Anziehung zwischen den Kleinstteilchen beschreiben, und absorbieren Feuchtigkeit. Dadurch wird ein Verklumpen der Pulverteilchen sowie ein Verkleben mit den Presswerkzeugen reduziert bzw. vermieden. Auch die Bruchfestigkeit von Tabletten wird erhöht. Typischerweise findet Siliciumdioxid auch Verwendung als Rieselhilfe für Speisesalze, Gewürze oder für Superfood-Pulver, wie z. B. Acerola oder Spirulina, die wenig fließfähig sind und verkapselt oder abgefüllt werden sollen.

Bei Verwendung werden in der Regel etwa 0,2 % bis 1 % des Gesamtgewichts des Produkts beigefügt. Für die meisten Lebensmittelklassen ist Siliciumdioxid auf maximal 10.000 mg/kg begrenzt; es gibt aber auch Untergruppen, für die 30.000 mg/kg oder gar quantum satis erlaubt sind. (566,606) Die Anwendung für Kinder ist in einigen Fällen ausgenommen, aber zum Beispiel für Nahrungsergänzungsmittel bis 10.000 mg/kg erlaubt. (566,607)

Unklarer Anteil an Nanopartikeln

Bei einer Untersuchung des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit an vier gewöhnlichen Nahrungsergänzungsmitteln, die (nicht näher definiertes) Siliciumdioxid enthielten, wurde ein mittlerer Partikeldurchmesser von 220 bis 300 nm bei einer Größenverteilung der Partikel von 54 bis 620 nm gemessen. Alle getesteten Produkte, die nicht ausdrücklich mit “Nanopartikelfrei” beworben wurden, enthielten dennoch Partikel unter 160 nm Größe. Der Anteil mit einem Durchmesser von < 100 nm lag unter 1 %. (9)

Eine genaue Einschätzung der tatsächlich vorhandenen Partikelgrößen am Markt ist aber bereits wegen der zahlreichen unterschiedlichen Siliciumdioxid-Formen und -Qualitäten schwierig und je nach Stoff verschieden zu beurteilen, also insgesamt kaum möglich. Die oben genannte Untersuchung weist aber darauf hin, dass durchaus signifikante Anteile von Partikeln kleiner 200 nm und immer noch geringe Anteile zwischen 50 und 100 nm vorhanden sind.

Gesundheitsrisiken

Die Gefährdung durch Einatmung von kristallinem Siliciumdioxid als Mikropartikel ist gut untersucht, wobei dies bei Erkrankungen wie Silikose, interstitieller Fibrose, industriell bedingter Bronchitis, COPD und Lungenemphysem eine Rolle spielt. Im Gegensatz dazu wird amorphes Siliciumdioxid als weniger toxisch betrachtet. (608) Für die orale Aufnahme ist dies aber weniger bedeutsam.

Auch als Lebensmittelzusatzstoff galt amorphes Siliciumdioxid lange Zeit grundsätzlich als unbedenklich und nicht toxisch. Im Jahr 2018 schloss die EFSA aufgrund der aktuellen Studienlage eine toxische Wirkung noch aus. (574) Mit Studien sei ausreichend belegt, dass der Stoff vom Körper bei oraler Einnahme nicht verdaut und wieder ausgeschieden werde.

In die Kritik geraten ist amorphes Siliciumdioxid hingegen durch seinen Anteil an Nanopartikeln. Die Primärteilchen des synthetischen Siliciumdioxids sind als Kolloid naturgemäß vorwiegend in Nanogröße vorhanden, die jedoch zu Agglomerationen von größer 100 nm neigen. Es wird angenommen, dass sie in dieser Form die Darmbarriere eher nicht passieren können. Dennoch existieren auch für Siliciumdioxid zunehmend Hinweise, dass die Partikel im Körper in den Organen akkumulieren, Zell- und DNA-Schäden verursachen sowie den Darm und sein assoziiertes Immunsystem beeinträchtigen können.

Betrachten wir aber zunächst die Bioverfügbarkeit des Siliciumdioxids. Viele Autoren stimmen zwar mit der EFSA überein und betrachten die Bioverfügbarkeit, also die Aufnahme des Siliciumdioxids über den Magen-Darm-Trakt als sehr gering, trotzdem ist auch dieser geringe Übertritt nicht außer Acht zu lassen. In einer Studie mit Ratten über 84 Tage wurde die Bioverfügbarkeit bei ca. 0,02 % eingeordnet. Dennoch fanden sich nach 84 Tagen nachweislich Anreicherungen von synthetisch amorphem Siliciumdioxid in der Milz (100, 1000, 2500 mg/kg/Tag). (609) Zudem fanden sich Anzeichen von Leberfibrose in Tieren, die mit einer speziellen Nanoform (NM-202) gefüttert wurden (100, 500, 1000 mg/kg/Tag). Auch die OECD fand nach oraler Gabe (100 mg/kg in Nagern) eine vernachlässigbare bis nicht vorhandene Ablagerung von Siliciumdioxid in Geweben. Nach intravenöser Gabe jedoch verteilte sich das Siliciumdioxid in der Leber, Milz, Lunge sowie der Niere und war auch nach 90 Tagen – was dem Untersuchungszeitraum entsprach – in den jeweiligen Geweben nachweisbar. (610) Obwohl die intravenöse Gabe sicherlich nicht dem natürlichen Aufnahmeweg gleicht, bleibt festzuhalten, dass einmal ins Blut gelangte Partikel die Tendenz haben, sich im Körper anzureichern.

Forscher sehen Siliciumdioxid-Nanopartikel als potenzielle Gefahr für Darm und assoziiertes Immunsystem

Eine potenzielle Gefahr für den gastrointestinalen Trakt sehen Forscher aus der Schweiz: Sie sind der Meinung, dass Nebenwirkungen des in Nahrungsmitteln enthaltenen amorphen Siliciumdioxids nicht ausgeschlossen werden können. Ihre Untersuchungen konzentrieren sich vor allem auf Lymphgewebe im Darmepithel, welches für die Regulation von Immunreaktionen elementar wichtig ist. (42) Dieses Gewebe enthält dendritische Zellen, welche dafür verantwortlich sind, dass zum einen keine überschießenden Abwehrreaktionen auf harmlose Bakterien und Nahrungsbestandteile ausgelöst werden und zum anderen aktivieren sie das Immunsystem bei pathogenen Erregern. (611) Es konnte bereits in Studien gezeigt werden, dass Nanopartikel inklusive Siliciumdioxid in diese Gewebeschichten vordringen können und bei langandauernder Exposition in „Pigmentzellen“ des darmassoziierten Lymphgewebes akkumulieren. (43,612–615) Das Forscherteam um Prof. Nägeli untersuchte in einem Forschungsprojekt der Universität Zürich, ob Siliciumdioxid-Nanopartikel im Darm von Mäusen mit den dendritischen Zellen interagieren und ob sie das Gleichgewicht zwischen Immunabwehr und -toleranz stören können. Sie fanden heraus, dass nach Kontakt mit den Siliciumdioxid-Nanopartikeln die Zellen begannen, das entzündungsregulierende Signalmolekül Interleukin-1β auszuscheiden. Im Forschungsprojekt der Uni Zürich heißt es zusammenfassend: “Diese Erkenntnisse legen nahe, dass die Konzentration von Siliciumdioxid-Nanopartikeln in Lebensmittelzusatzstoffen reduziert werden sollte. Als Nächstes müssen In-Vivo-Untersuchungen und Vergleiche mit Daten zur menschlichen Exposition folgen.” Eine Reihe weiterer Studien belegt die Bildung von Entzündungsmediatoren – darunter IL-1, IL-6, IL-8 sowie TNF-α (tumor necrosis factor) – und Interaktionen mit den Mitochondrien durch Silica-Nanopartikel. (616)

Studien zeigen die Auslösung von oxidativem Stress durch Silicium-Nanopartikel

Die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies, verbunden mit der Aktivierung von Entzündungsmarkern durch Siliciumdioxid-Nanopartikel, konnte in vitro an Makrophagen und in vivo im Mausmodell belegt werden. Die einmalige Gabe von 50 mg/kg, i. p. Nanopartikeln führte zur Aktivierung der Makrophagen und zu einer erhöhten Ausscheidung von Nitritoxid, zum Anstieg der Entzündungsmarker IL-1-beta und TNF-alpha sowie zur erhöhten Expression entzündungsregulierender Gene wie IL-1, IL-6, TNF-alpha, iNOS und COX-2. (37) Auch in Untersuchungen an menschlichen embryonalen Nierenzellen konnte oxidativer Stress durch 20 und 50 nm Siliciumdioxid nachgewiesen werden. (617)

Umstrittene toxische Effekte auf die Leber

In Bezug auf die Lebertoxizität gibt es eine Reihe an Studien, die oxidativen Stress in Leberzellen nachweisen bzw. andere biochemische Parameter in Zusammenhang mit hepatotoxischen Effekten untersuchen, wobei es sich bei letzterer Untersuchung um eine In-vitro-Studie an Leberzellen mit silicabasierten Nanopartikeln (70 nm) in einer Dosis von 30 mg/kg handelt. (618,619)

Auch in einigen weiteren Studien an Ratten und Mäusen konnten toxische Effekte auf die Leber gezeigt werden, was sich an Hand von Leberathrophie, Leberfibrose und Fettleber zeigte. Doch werden diese Studien von der Europäischen Kommission (2016) in Bezug auf ihre korrekte Durchführung, die mangelhafte Beschreibung des verwendeten Materials und daher ihre Übertragbarkeit auf den Menschen infrage gestellt. (42,620)

Bioverbände schließen die Verwendung von Siliciumdioxid weitgehend aus

Obwohl die EFSA Siliciumdioxid zurzeit als ungefährlich bewertet, sprechen die Anbauverbände Naturland, Bioland und Demeter die Empfehlung aus, Salz und Gewürze ohne Rieselhilfen einzukaufen und lassen, wenn nötig, nur Calciumcarbonat (E170) zu. (598) Der Schweizer Bio-Dachverband Bio Suisse hat als Konsequenz aus der Kritik um die Nanopartikel die Verwendung von Siliciumdioxid E551 für getrocknete Kräuter und Gewürze in Pulverform sowie Aromastoffe grundsätzlich verboten. Siliciumdioxid als Gel oder kolloidale Lösung bleibt nur als Filtrationshilfsmittel zur Herstellung von Obst- und Gemüsesäften sowie Nektaren und Sirup, Wein und Schaumwein, Obstwein und Fruchtwein, Essig, Spirituosen und Bränden, Kaltgetränken aus Tee, Kräutern, Obst und Gemüse – Eistees und Limonaden – zugelassen. (621)

Für eine Übersicht zu Nanomaterialien siehe Kapitel 22 sowie Kapitel 22.1 zu den möglichen Gesundheitsrisiken von Nanopartikeln.

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