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22.2.3 Mikrokristalline Cellulose

Mikrokristalline Cellulose (MCC) ist ein Lebensmittelzusatzstoff (E460i), der sehr häufig bei Nahrungsergänzungsmitteln als Trenn-, Fließ-, Binde- und Pressmittel sowie als Trägerstoff eingesetzt wird. MCC ist auch der bevorzugte Hilfsstoff zur Herstellung von Pellets.

Der Hilfsstoff etablierte sich in den letzten Jahren als Alternative zu Magnesiumstearat. Das Material ist sehr kostengünstig, leicht zu verarbeiten, insbesondere leicht zu verpressen (Tabletten), lange haltbar und hypoallergen. Manche Anbieter setzen aus diesen Gründen anstelle von Magnesiumstearat mittlerweile ganz auf MCC.

MCC ist auch in vielen anderen Lebensmitteln, z. B. in Wurst, Tiefkühlkost, Käse, Milchprodukten, Desserts zu finden. Es soll hier die Verarbeitungsfähigkeit und Konsistenz verbessern.

Cellulose ist ein Zellwandbestandteil von Pflanzen und kommt in Baumwolle oder Flachs zu > 90 % und in Holz zu ca. 40 - 50 % vor. Chemisch gilt es als lineares Polysaccharid. (622) Grundsätzlich wird Cellulose als Hilfsstoff für die Pharmazie und die Lebensmittelindustrie in mikrokristalline Cellulose (MCC) einerseits und Pulvercellulose (PC, Cellulosepulver) andererseits unterschieden. Als Ausgangsmaterial beider Stoffe dient Zellstoff. Dieser wird aus Holz nach Zerkleinerung und Entfernung von Lignin und Hemi-Cellulosen gewonnen. Beide Pulver – PC und MCC – existieren in vielen unterschiedlichen Partikelgrößen und Qualitäten am Markt und sind beide nicht wasserlöslich. Für die Herstellung der pulverisierten Cellulose wird im Gegensatz zu MCC jedoch nur eine mechanische Zerkleinerung der natürlichen Cellulosefasern des Zellstoffs vorgenommen. Die mikrokristalline Cellulose hingegen wird durch einen aufwendigeren, chemischen Prozess hergestellt. Durch den daraus resultierenden, etwa doppelt so hohen kristallinen Anteil gewinnt sie die besonderen, gewünschten Eigenschaften, insbesondere die hohe Fließfähigkeit.

Chemische Herstellung von MCC

Für die Gewinnung von MCC kommen meist Abfallprodukte der Baumwollernte oder Holzfasern, aber auch Fasern aus anderen Quellen, wie Palmölfasern, Kapok etc., zum Einsatz. Hierzu werden verholzte Pflanzenfasern (Linters, Samenhaar) zerkleinert, gesiebt und zermahlen. Danach werden diese bei über 100 °C in Salzsäure gekocht (saure Hydrolyse) und durch Depolymerisation der Pflanzenfasern der kristalline Bestandteil erhöht. Die mikrokristalline Cellulose wird schließlich durch Filtration – Separieren, Waschen mit deionisiertem Wasser, Neutralisierung mit Ammoniak und erneutes Waschen sind relevante Prozessschritte –, Sprühtrocknung und Sieben aus der flüssigen Masse gewonnen. Durch das Sieben, das Trennen mittels Luftgebläse und das Mischen erreicht man gezielte Größen bzw. Qualitäten. Von der Cellulose sind insgesamt sieben verschiedene Polymorphe bekannt (Iα, Iβ, II, IIII, IIIII, IVI und IVII), die sich in Kompressibilität, Bindungseigenschaften, Zerfallseigenschaften etc. unterscheiden. In der pharmazeutischen Industrie wird meistens die sogenannte MCCI und auch MCCII eingesetzt.

Bis zu 10 % Nanopartikel erlaubt

Grundsätzlich gilt, dass die sogenannte Mikrofibrillierte Cellulose (MFC), die zu den Nanofasern zählt, nicht für Lebensmittel eingesetzt werden darf. Sie wird als Hilfsstoff in der Produktion von Papier und Kunststoff angewendet. (623)

Geregelt ist des Weiteren, dass die mikrokristalline Cellulose, die in Lebensmitteln Anwendung findet, überwiegend eine Partikelgröße von 5 Mikrometer besitzen muss. Für 10 % der Menge gilt aber eine Ausnahmeregelung; diese darf kleiner ausfallen. Es ist also nicht auszuschließen, dass für Lebensmittel verwendete mikrokristalline Cellulose Nanopartikel enthält. Diese Regelung basiert auf der Studienlage von 1995. Zu diesem Zeitpunkt verfasste die EU eine Re-Evaluation zu MCC und sprach sich für die oben genannte Regelung aus. Der Grund für die Festlegung der Mindestgröße waren Hinweise darüber, dass sehr kleine Cellulose-Partikel – deutlich weniger als 5 µm – die Darmwand durchdringen können. Schädliche Effekte konnten allerdings nicht nachgewiesen werden, wobei die Kommission Bedenken äußerte, dass die Persorption in Kindern aufgrund des unreifen Darmsystems größer sein könnte und betonte, dass hierzu keine Studien vorlägen. (624) Daher darf mikrokristalline Cellulose für Baby- und Kleinkindnahrung nicht genutzt werden.

Gesundheitsrisiken

MCC gilt als unverdaulicher Ballaststoff und darf ohne Mengenbeschränkung in Lebensmitteln eingesetzt werden. Sie enthält kein Gluten und ist hypoallergen, d. h. allergische Reaktionen sind nicht bekannt oder beschrieben.

Aufgrund der chemischen Herstellung handelt es sich aber nicht um ein Naturprodukt und es stellt sich die Frage, ob es überhaupt nötig ist, diesen künstlich verarbeiteten Stoff zu verwenden.

Mit Ausnahme der negativen Wirkungen von Nanopartikeln durch Einatmung sind kaum Auswirkungen auf die Gesundheit bekannt. (625–627) Kritisch zu hinterfragen ist also auch bei der mikrokristallinen Cellulose, ob Nanopartikel vorkommen und falls ja in welcher Höhe diese als “natürliche” oder gar gezielte Bestandteile während der Herstellung anfallen. Solche gezielt hergestellten Cellulosepartikel, auch unter dem Begriff Nanocellulose bekannt, sind zum Beispiel die mikrofibrillierte Cellulose, die aufgrund ihrer hohen Wasserbindungskapazität eingesetzt wird oder die nanokristalline Cellulose, welche noch deutlich kleinere Partikel enthält. Auch MCC wird manchmal unter dem Begriff Nanocellulose gefasst, da es meist Nanopartikel enthält. (10) Üblicherweise finden sich auf den Etiketten der Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel diesbezüglich keinerlei Informationen, sodass der Verbraucher mit dieser Frage alleine gelassen wird. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass beim Einsatz und beim Einkauf von MCC in der Regel keine Informationen zur Nanozusammensetzung gegeben werden.

Eine gute Übersicht über die aktuelle Studienlage zu Nanocellulose findet sich in den Reviews von Endes et al. 2016 (628) und Catalan et al. 2017 (629). Catalan fasst die Studiensituation treffend zusammen: “Einige Autoren sind aufgrund der verfügbaren Ergebnisse der Ansicht, dass Nanocellulose ein limitiertes toxisches Potenzial hat, wobei es jedoch auch gegenteilige Auffassungen gibt, vor allem hinsichtlich Inhalation und Zytotoxizität.” Ein großes Problem scheinen bei der Nanocellulose die vielen unterschiedlichen Strukturvarianten inklusive Ausgangsmaterialien, Herstellungsprozess, Größenverteilung, Oberflächenstrukturen etc. zu sein, welche wiederum zu verschiedenen physiochemischen Eigenschaften führen. (628) So lässt sich ein Produkt kaum zufriedenstellend untersuchen, geschweige denn verschiedene Produkte miteinander vergleichen. Was für das eine Partikel gilt, kann für das nächste wiederum ganz anders ausfallen. Auf Basis der Studienlage sind daher schlichtweg keine eindeutigen Einschätzungen möglich. Manche Naturheilkundler, wie z. B. Rainer Taufertshöfer, betrachten den Einsatz von MCC insbesondere aufgrund der enthaltenen Nanopartikelanteile als sehr kritisch. (630)

In ganz seltenen Fällen verwenden wir ausschließlich eine spezielle mikrokristalline Cellulose, die garantiert frei von Nanopartikeln ist; und zwar nicht nach EU-Regelung, sondern im eigentlichen Sinne (100 % frei). Wir haben nach Monaten der Recherche bisher nur einen einzigen Hersteller gefunden, der garantiert nanopartikelfreie mikrokristalline Cellulose anbietet, die wir in ganz wenigen Produkten aus produktionsbedingten Gründen verwenden, weil sich einige Tabletten beispielsweise nicht anders pressen lassen. Als reinen Füllstoff gibt es sinnvollere Optionen, denn der Platz in Kapseln kann auch genauso gut für echte Nahrungsmittel verwendet werden. Wir setzen unter anderem nachhaltige, präbiotische Akazienfaser und Bio-Buchweizenkeimpulver ein. In den meisten Fällen kann jedoch durch Anpassung der Produktionsbedingungen auf Füllstoffe vollständig verzichtet werden – das nehmen wir sprichwörtlich in Kauf.

Für eine Übersicht zu Nanomaterialien siehe Kapitel 22 sowie Kapitel 22.1 zu den möglichen Gesundheitsrisiken von Nanopartikeln.

Nanopartikel: Das Wichtigste zusammengefasst

  • Nanopartikel sind winzige Teilchen (< 100 nm), die aufgrund ihrer Größe besondere physiochemische Eigenschaften besitzen.
  • Die Verwendung von Nanopartikeln ist weit verbreitet – meist ohne das Wissen der Verbraucher. Sie können in Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, Kosmetika, Sonnencreme, Zahnpasta, aber auch in Nahrungsmitteln (Rieselhilfen in Salz), Verpackungsmaterialien, Tierfutter oder Farben und Textilien enthalten sein.
  • Die Deklaration von Nanopartikeln ist unzureichend, sodass sie auch ohne ausdrückliche Kennzeichnung in Produkten enthalten sein können. Viele Produkte nennen sich sogar “nanopartikelfrei” obwohl Nanopartikel enthalten sind, da gemäß EU-Regelung bis zu 50 % Nanopartikel zulässig sind.
  • Häufig verwendete Lebensmittelzusatzstoffe mit Nanopartikeln sind Siliciumdioxid (E551), mikrokristalline Cellulose (E460i) und bis Sommer 2022 Titandioxid (E171).
  • Nanopartikel werden unkontrolliert über den Darm und in die Zellen aufgenommen und können auch andere Stoffe einschleusen.
  • Eine selbst geringfügige Langzeitaufnahme der Teilchen führt zur Akkumulation (Anreicherung) in Organen mit unabsehbaren Folgen.
  • Studien zeigen entzündungsfördernde Wirkungen nach oraler Aufnahme, Schädigungen des Magen-Darm-Traktes, negative Einflussnahme auf das Immunsystem, die Förderung von oxidativem Stress, Schädigungen des Nervensystems und des Erbguts, weshalb sie im Verdacht stehen, Krebs auszulösen.

 

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