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16.1.2 Saccharin und Neohesperidin-DC

In einer 2014 durchgeführten Studie zur Beeinträchtigung des Darmmikrobioms von Mäusen durch Süßungsmittel konnte eine massive Veränderung in der Vielfalt und Zusammensetzung der Bakterienarten festgestellt werden. Neben Aspartam und Sucralose verursachte Saccharin die stärkste Dysbiose. Das Darmmikrobiom der Mäuse nach Saccharin-Konsum ähnelte dem von Personen, die am metabolischen Syndrom, Glucoseintoleranz oder Insulinresistenz leiden. Diese Ergebnisse decken sich mit denen nach Aspartamkonsum. Die Mäuse bekamen über einen definierten Zeitraum von elf Wochen Mischungen aus 5 % des Süßstoffes und 95 % Saccharose zu trinken. Diese Mischung entspricht der von handelsüblichem Saccharin. Die von den Mäusen aufgenommene Dosis der Süßstoffe entspricht in etwa dem ADI-Wert für den Menschen. Als Kontrollgruppen dienten Mäuse, die über denselben Zeitraum Wasser oder Saccharose-Wasser zu trinken bekamen. Die beiden Kontrollgruppen wiesen nach elf Wochen vergleichbare Glucosetoleranzen auf. Die Süßstoff-konsumierenden Mäuse entwickelten jedoch eine ausgeprägte Glucoseintoleranz. Außerdem war das Darmmikrobiom von einer deutlichen Zunahme der Bakterienarten Bacteroides und Clostridiales sowie einer Abnahme von Lactobacillus-Arten und Firmicutes gekennzeichnet. Ebenfalls wurden deutlich erhöhte Mengen kurzkettiger Fettsäuren im Stuhl der Mäuse gefunden. Dies deutet auf eine erhöhte Energiegewinnung durch veränderte Glucose-Verstoffwechselung hin. Der Süßstoff führte demnach trotz verringerter Glucoseaufnahme aus der Nahrung zu einer gesteigerten Energieaufnahme. Dieser Effekt konnte durch Stuhltransplantation in Mäuse, die nie Süßungsmittel konsumiert hatten, wiederholt werden. Die zuvor gesunden Mäuse entwickelten dieselbe Darmmikrobiom- Zusammensetzung und eine Glucoseintoleranz, wie die mit Saccharin-gefütterten Mäuse. Daraus lässt sich eindeutig schließen, dass das veränderte Darmmikrobiom ursächlich für die gestörte Glucosetoleranz ist. (19,20,23)

Da Süßstoffe beim Menschen ebenfalls mit einer gestörten Glucosetoleranz in Verbindung gebracht werden, wurde aufgrund der oben beschriebenen Ergebnisse eine kleine Studie mit sieben freiwilligen, gesunden Probanden durchgeführt. Diese Personen bekamen sieben Tage lang eine dem ADI-Wert entsprechende Dosis von 5 mg Saccharin pro kg Körpergewicht verabreicht. Bereits innerhalb der sieben Tage konnte bei vier Personen eine deutlich verschlechterte Glucosetoleranz festgestellt werden, die auch noch Tage danach anhielt. Bei drei Personen konnte keine Verschlechterung der Glucosetoleranz festgestellt werden. Der Stuhl beider Gruppen wurde untersucht. Nur in der Gruppe mit deutlich verschlechterter Glucosetoleranz konnte eine ausgeprägte Veränderung des Darmmikrobioms festgestellt werden. Die Veränderungen entsprachen denen aus der zuvor durchgeführten Studie an Mäusen. Auch hiernach wurde der Stuhl beider Gruppen in gesunde Mäuse übertragen, die nie Süßstoffe konsumiert hatten. Mäuse, die den Stuhl mit verändertem Mikrobiom erhalten hatten, entwickelten wie zuvor eine ausgeprägte Glucoseintoleranz. Hiermit konnte bestätigt werden, dass die durch den Konsum von Süßstoffen veränderte Zusammensetzung des Darmmikrobioms die gestörte Glucosetoleranz auslöst. Da nicht alle Probanden gleichermaßen eine Glucoseintoleranz entwickelten, wird individuellen Faktoren wie der aktuell vorherrschenden Zusammensetzung des Darmmikrobioms und der Ernährungsform zusätzlich eine große Rolle zugewiesen. (19,20,23)

In einer 2016 an Ferkeln durchgeführten Studie konnte ebenfalls eine Veränderung des Darmmikrobioms durch den Konsum eines Süßstoff-Gemischs aus Neohesperidin-DC und Saccharin festgestellt werden. Dieses Süßstoff-Gemisch wird in der Schweinemast eingesetzt, um die Energieaufnahme aus der Nahrung zu erhöhen und somit die Mastergebnisse zu verbessern. In der Studie wurde beschrieben, dass die häufigste Todesursache bei jungen Ferkeln Verdauungsstörungen, bzw. Durchfall ist. Durch die zusätzliche Gabe des Süßstoff-Gemisches soll die Darmflora der Ferkel verändert werden, um diesen Todesursachen vorzubeugen. Zum einen steigert der süße Geschmack des Futters die Nahrungsakzeptanz bei den Ferkeln, zum anderen führt das veränderte Mikrobiom zu einer erhöhten Energieaufnahme aus der aufgenommenen Nahrung. Bei der Studie wurde eine deutliche Erhöhung der Lactobacillus-Arten festgestellt. Diese Bakterienarten konnten besonders gut auf das veränderte Nahrungsangebot reagieren, da sie mehrere Bestandteile der Nahrung als Energiequellen nutzen können. Es wurde außerdem beobachtet, dass der Süßstoff Neohesperidin-DC einen unterstützenden Effekt auf die Lactobacillus-Arten bei der Umstellung auf das veränderte Nahrungsangebot ausübte. Somit konnte auch in dieser Studie bestätigt werden, dass Süßstoffe das Darmmikrobiom deutlich beeinflussen und dadurch eine veränderte Energieaufnahme auslösen, obwohl sie nicht selbst vom Darmmikrobiom verstoffwechselt werden. (446)

Da Süßstoffe in der menschlichen Ernährung als Zuckerersatz eingesetzt werden, um die Energieaufnahme zur Gewichtsregulation zu verringern, ist diese Art der Veränderung des Darmmikrobioms sehr kritisch zu betrachten. Durch die Veränderung kann es individuell bedingt zu einer gesteigerten Energieaufnahme aus der Nahrung und somit zu einer Gewichtszunahme kommen. Zusätzlich hat das veränderte Darmmikrobiom weitere, nicht ausreichend untersuchte Auswirkungen auf den gesamten Stoffwechsel.

Für eine Übersicht aller Süßungsmittel siehe Kapitel 16.

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