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3. Persistierende Substanzen: PCB, Dioxine, PFAS, PAK, etc.

Unter dem Begriff “Persistierende Organische Substanzen” (Englisch: Persistent Organic Pollutants; POPs) werden Hunderte von Substanzen mit ähnlichen chemischen Eigenschaften und Wirkungsweisen zusammengefasst. (99) Zu diesen Substanzen gehören sowohl industriell erzeugte Produkte wie Pestizide (siehe Kapitel 4), PCB und Chlorparaffine (Kapitel 3.2.1), Perfluorierte Alkylsubstanzen wie PFOS und PFOA (Kapitel 3.2.2) als auch unbeabsichtigt erzeugte Stoffe wie z. B. Dioxine und Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) (Kapitel 3.2.3).

Allen gemein ist eine extreme Langlebigkeit mit mehreren Jahren Halbwertszeit und eine meist ausgeprägte Toxizität. Obwohl viele dieser Substanzen seit Jahrzehnten verboten sind (siehe Kapitel 3.1), finden sie sich noch heute weltweit bis in die entlegensten Regionen der Erde. Ihre weitreichende Verbreitung hat dazu geführt, dass unsere Nahrungsmittel heute grundsätzlich mehr oder weniger stark mit POPs belastet sind und wir unweigerlich mit ihnen konfrontiert werden. Zu den Folgen einer chronischen Belastung mit POPs gehören Allergien und Hypersensitivität, Schäden des zentralen und peripheren Nervensystems sowie Probleme der Reproduktion, Störungen des Immunsystems und Krebs. (2)

Persistente organische Verbindungen lassen sich in drei große Untergruppen einteilen: Die schon erwähnten Pestizide, industriell hergestellte Stoffe und unbeabsichtigt erzeugte Substanzen. In untenstehender Tabelle sind einige gängige Vertreter der beiden letzten Untergruppen sowie häufig verwendete Abkürzungen aufgelistet.

Tabelle: Hauptgruppen Persistierender Organischer Verbindungen und deren Vorkommen

  1. Pestizide

Aldrin, Chlordane, DDT, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Hexachlorobenzen, Mirex, Toxaphen

Siehe Kapitel 4 Pflanzenschutzmittel.

  1. Industriell hergestellte Substanzen

Polychlorierte Biphenyle (PCBs), kurzkettige Chlorparaffine

Gruppe von Substanzen, die in Kühlflüssigkeit, Transformatoren und Kondensatoren, als Additive in Farben, Kopierpapier und Plastik Verwendung finden. Chlorparaffine finden außerdem Anwendung in Textilien, Leder, Förderbändern, Schmiermittelzusätzen, Schläuchen, der Metallverarbeitung und als Weichmacher in PVC.

Perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) (Englisch: perfluorinatedalkyl acid (PFAA), dazu gehören Perfluorohexansulfonate (PFHxS), PFOS, PFOA, PFNA, PFDA, PFUnA, PFHpS)

Wasser-, Öl- und schmutzabweisende Eigenschaften. Verwendung in Flammschutzmitteln, Reinigungsmitteln, wasserabweisenden Textilien und Polstern, Oberflächen von Nahrungsmittelverpackungen und nicht haftendem Backpapier sowie in Elektronik und hydraulischen Flüssigkeiten.

Polybromierte Diphenylether (PBDEs)

Verwendung in Flammschutzmitteln.

  1. Nebenprodukte der Industrie oder bei Verbrennungsprozessen entstehende Stoffe

Dioxine (Polychlorierte Dibenzo-p-Dioxine (PCDDs) und Polychlorierte Dibenzofurane (PCDFs)

Unbeabsichtigte Produktion während der Herstellung von Pestiziden und als Emission bei der Müllverbrennung und anderer Verbrennungsprozesse, z. B. Autoabgase.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs)

(Englisch: Polycyclic aromatic hydrocarbons (PAHs)), z. B. Benzo(a)pyren

Substanzgruppe, die hauptsächlich bei der Verbrennung organischer Substanzen entsteht, z. B. Industrieemissionen und Tabakverbrennung.

Quelle: (100)

Industriell werden POPs unter anderem für folgende Anwendungen hergestellt und eingesetzt: als Flammschutz- und Lösungsmittel, in Baustoffen und Holzimprägnierungen, in Elektronik und für Kabelisolierungen, als Additive in Motoröl oder Hydraulikflüssigkeit, in Textilien, in Plastik und Toilettenpapier. Zu diesen beabsichtigt erzeugten Produkten gehören die Polychlorierten Biphenyle, Perfluorierte Alkylsubstanzen und die Polybromierten Diphenylether.

Chronische Langzeitbelastungen, Krebs und Entwicklungsstörungen

Symptome einer akuten Vergiftung mit Persistierenden Organischen Verbindungen (POP) sind starke Haut- und Augenirritationen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Verdauungs- und Leberfunktionsstörungen.

1988 wurden PCB-Verbindungen mit dem Tod von 20.000 Robben in Verbindung gebracht. Die Tiere starben an einem Virus, der vermutlich durch ein von PCB geschwächtes Immunsystem zum verheerenden Ausbruch kam. Vor 1977 kam es auch bei Menschen zu mehreren akuten Vorfällen mit hohen Dosen der toxischen Stoffe. 1968 führte kontaminiertes Reisöl bei circa 1000 Menschen in China zu Vergiftungen. Die betroffenen Kinder zeigten Wachstumsverzögerungen, Bewegungsstörungen mit einer generellen Verlangsamung und ein deutliches IQ-Defizit (im Mittel einen IQ von 70). (101)

Heute sind wir durch die weltweite Belastung mehr mit chronischen Langzeitfolgen als mit akuten Vergiftungen konfrontiert. Besonders betroffen sind Menschen, die viel Fisch verzehren, so z. B. auch arktische Völker, die an der Entstehung der toxischen Substanzen nicht einmal beteiligt sind.

Eine chronische Belastung beim Menschen zeigt sich durch Allergien, Hypersensitivität, Schäden des zentralen und peripheren Nervensystems. Entwicklungsstörungen und Gedächtnisprobleme bei Erwachsenen und Kindern können ebenfalls die Folge sein. (2)

Einige POPs fallen in die Kategorie hormonaktiver Substanzen und führen darüber zu Störungen des Hormonsystems inklusive der Reproduktion, aber auch zur Beeinträchtigung des Immunsystems bei Eltern und Nachwuchs. Bei Haussperlingen konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass die Hormonproduktion von Östrogenen und Testosteron durch relativ geringe POP Konzentrationen bereits deutlich beeinflusst wird. (100)

Darüber hinaus haben POP entwicklungsschädigende und karzinogene Effekte. Einige Substanzen werden der Gruppe 1 der IARC, der höchsten Stufe der krebserregenden Substanzen, zugeordnet. (99) Ein Beispiel sind die perfluorierten Substanzen: PFOA und PFOS sind nach Anhang VI der CLP-Verordnung als Kanzerogene der Kategorie 2 – „kann vermutlich Krebs erzeugen“ – eingestuft. (102) Das Committee for Risk Assessment (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) kommt zu der Schlussfolgerung, dass PFOA-induzierte Tumoren für den Menschen von Relevanz sind. (103) PFOA wurde auch von der International Agency for Research on Cancer (IARC) als “möglicherweise kanzerogen für den Menschen” (Gruppe 2B) bewertet. (104) In tierexperimentellen Studien kam es ab einer täglichen Dosis von 1,45 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht PFOS zu einem signifikanten Anstieg von Leberadenomen. Bei weiblichen Tieren trat auch Leberkrebs auf. (105) PFOA in einer täglichen Dosis von etwa 15 mg/kg Körpergewicht führten zu Leberadenomen, Leydigzelltumoren (Hoden) und Azinartumoren (Bauchspeicheldrüse) sowie Fibroadenomen (Brustdrüse). (105) In anderen Studien an Ratten wirkte PFOA ebenfalls als Tumorpromotor. (104–106) Sowohl PFOA als auch PFOS zeigen reproduktionstoxische Wirkungen bei Nagetieren. (106) Eine dänische epidemiologische Untersuchung an 105 jungen Männern zeigte einen Zusammenhang zwischen der Konzentration von zehn Perfluorcarbonsäuren (u. a. PFOA), den Geschlechtshormonen und der Spermienqualität (107). Aufgrund der reproduktionstoxischen Effekte sind PFOS und PFOA gemäß Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) als reproduktionstoxisch Kategorie 1B eingestuft („kann das Kind im Mutterleib schädigen“). Wegen des Überganges in die Muttermilch werden beide Substanzen weiter mit diesem Gefahrenhinweis versehen.

Auch wenn der direkte Beweis schwierig ist, werden heute verschiedene Erkrankungen mit POPs in Verbindung gebracht, darunter hormonabhängige Krebsformen, Unfruchtbarkeit, Typ-2-Diabetes, Fettleibigkeit, erhöhte Infektanfälligkeit sowie neurologische Schäden, IQ-Defizite bis hin zu Autismus. (2) In Untersuchungen an Mäusen wurden sowohl für PFOA als auch für PFOS schädliche Effekte auf das Immunsystem sowie Nervensystem festgestellt. (105) Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen der Serumkonzentration von PFOA und PFOS und einer immuntoxischen Wirkung bei Kindern. (108)

Als mögliche Wirkmechanismen werden verschiedene Ansätze verfolgt: Für PAK ist beispielsweise bekannt, dass diese – ähnlich wie Pestizide und Schwermetalle – einer der Hauptgründe für die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) sind und damit schädigenden Einfluss auf viele Zellfunktionen ausüben. (99,109) Zudem bestehen Wechselwirkungen zwischen organischen Schadstoffen und Schwermetallen: Mehrere Studien belegen, dass ein erhöhter Schwermetallgehalt des Bodens, vermutlich über eine Schädigung der pflanzlichen Zellmembranen, die Aufnahme an organischen Schadstoffen in die Pflanzen erhöht. (52) Andersherum wird die Kupfermobilität im Boden durch die Anwesenheit von PAK, aber auch PCB beeinflusst. Durch die erhöhte Kupferverfügbarkeit wird auch das Schwermetall Cadmium für die Pflanzen verfügbarer. Dies wiederum führt wie erwähnt zur Schädigung der Wurzeln und zu einer vermehrten Aufnahme von organischen Schadstoffen.

Von den polybrominierten Diphenylethern (PBDEs) weiß man heute, dass sie an einen intrazellulären Transkriptionsfaktor, den Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor, binden und darüber aktiv in den Zellmetabolismus eingreifen. (99)

Selbst kleine Mengen POPs können bei Langzeitexposition einen deutlichen toxischen Effekt haben. Costa et al. weisen darauf hin, dass bei täglicher Einnahme bestimmter verunreinigter Nahrungsergänzungsmittel toxische Effekte aufgrund multipler Belastungen entstehen könnten. (99) In mehreren Studien wurden nicht nur POPs, sondern gleichzeitig weitere hochtoxische Substanzen wie Organochloride (Pestizide) und toxische Metalle gefunden. Die additiven Effekte und Interaktionen dieser Substanzen sind bisher vollkommen unerforscht und werden bei isolierter Betrachtung möglicherweise unterschätzt.

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