30.2 Palmöl – ökologisch vertretbar?
Weltweit beträgt die Anbaufläche für Ölpalmen knapp 19 Millionen Hektar im Jahr 2019. (808,809) Mit 74 Millionen Tonnen im Erntejahr 2018/19 ist Palmöl inklusive Palmkernöl das meistproduzierte Pflanzenöl. Obwohl die Ölpalme ursprünglich in Afrika heimisch war, dominieren heute Indonesien und Malaysia mit 99 % die Exporte von Palmöl. (810) Nach Angaben des US-Agrarministeriums haben sich Produktion und Konsum von Palmöl von 2005 bis 2017 mehr als verdoppelt. (808)
Die Beliebtheit der Ölpalme erklärt sich vor allem aus ihrem hohen Ertrag. Im Vergleich zu anderen Ölfrüchten ist die Ölpalme mit Abstand am ertragreichsten bzw. hat den geringsten Flächenbedarf. Durchschnittlich werden 3,3 Tonnen Palmöl pro Hektar produziert. Zum Vergleich: Der Ertrag von Kokosnuss und Sonnenblumenkernen liegt bei unter 0,7 t/ha, Raps leicht über 0,7 t/ha und Soja bei nur 0,4 t Öl/ha. (811)
Gewinnung und Nutzung von Palmöl und Palmkernöl
Aus den Früchten der Ölpalme werden Palmöl und Palmkernöl gewonnen. Palmöl stammt aus dem Fruchtfleisch und Palmkernöl wird, wie der Name besagt, aus den Kernen der Früchte gewonnen. Beide Öle sind bei Raumtemperatur fest, unterscheiden sich aber in ihrer Zusammensetzung, sodass sie für unterschiedliche Produkte Verwendung finden. Die Früchte der Ölpalme sind leicht zu ernten und zu verwerten, was die Herstellung besonders einfach und preisgünstig macht.
Das rohe Palmöl wird aus dem Fruchtfleisch der Ölfrüchte abgepresst und hat durch seinen hohen Carotinoidgehalt eine rötliche Färbung sowie einen leichten Eigengeschmack. In den Herkunftsländern wird dieses unverarbeitete Palmöl traditionell zum Kochen verwendet. Im Gegensatz dazu wird das Palmöl für die kommerzielle Nutzung durch Raffination weiterbehandelt. Raffination ist auch für andere Pflanzenöle ein gebräuchliches Verfahren, bei dem mit 200 °C heißem Wasserdampf Geruchs- und Farbstoffe entfernt werden und die Haltbarkeit verbessert wird. Raffiniertes, desodoriertes Palmöl ist geruchlos, geschmacksneutral, farblos und lange haltbar. Es ist besonders reich an gesättigten Fettsäuren (50 %), während einfach ungesättigte Fettsäuren einen Anteil von 40 % und mehrfach ungesättigte Fettsäuren von 10 % haben. Palmöl ist bei Raumtemperatur zwar fest, aber trotzdem streichfähig und geschmeidig. Das Verfahren der Raffination ist insbesondere für Palmöl in der Kritik, da hierbei krebserregende Stoffe entstehen können (siehe auch Kapitel 13.1.3).
Etwa 75 % des weltweit produzierten Palmöls werden direkt oder indirekt als Nahrungsmittel verwendet. Dazu wird es auch in größerem Umfang in der Futtermittelproduktion eingesetzt. Des Weiteren wird es zur Herstellung von Kerzen verwendet und einer ganzen Reihe von Spezialanwendungen der chemischen Industrie zugeführt: die Entfärbung von Altpapier, die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln, Kunststoffen, Farben und Lacken gehören dazu. In der EU wird zudem ein Großteil des importierten Palmöls zur Herstellung von Biodiesel genutzt. (812) Die Produktion von Bio-Palmöl macht im Jahr 2020 nach wie vor nur einen Anteil von etwa 0,02 bis 0,03 % des weltweit produzierten Öls aus. (812)
Palmkernöl gehört wie Kokosöl zu den Laurinölen und wird aus den getrockneten und gemahlenen Kernen der Ölfrüchte gepresst. Es enthält einen großen Anteil (bis zu 55 %) der gesättigten Fettsäure Laurinsäure, circa 60 % dreifach gesättigte Fettsäuren und 25 % gesättigte Fettsäuren bzw. Ölsäure. Das rohe Öl ist hell- bis orange-gelb, wobei man nach der Raffination ein fast weißes bis leicht gelbliches Fett erhält. Palmkernöl wird gerne zur Herstellung sogenannter Derivate wie Tenside, Emulgatoren oder Glycerin weiterverwendet. Diese sind dann zum Beispiel in Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika enthalten. Wegen seiner besonderen Eigenschaften wird Palmkernöl auch gerne für die Süßwarenindustrie – z. B. für Kakaoglasuren – verwendet. (813)
Sonderfall EU: Palmöl für Biodiesel
Der Palmölnutzung in der EU kommt eine Sonderrolle zu. Global betrachtet wird der Großteil des produzierten Palmöls – in etwa 75 % – für die Nahrungsmittelindustrie genutzt. In der EU jedoch werden mehr als 60 % des importierten Palmöls zur Herstellung von Treibstoffen und zur Energie- bzw. Wärmeerzeugung verwendet. (808,813) Im Jahr 2017 wurden in der EU 51 % (4,3 Millionen Tonnen) für die Produktion von Biodiesel sowie 10 % (0,8 Millionen Tonnen) in Kraftwerken für die Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt. (814)
Illegale Abholzung
Verbunden mit den einzigartigen Charakteristika von Palmöl, die das Öl in einigen Produkten schwer ersetzbar machen, erklären vor allem die hohen Erträge pro Hektar die große Beliebtheit des Öls. Das Problem: Die ursprünglich in Afrika heimischen Ölpalmen gedeihen nur im tropischen Klima – und tragen daher massiv zur Abholzung von tropischen Urwäldern bei. (811)
Trotz verschiedener Bestrebungen von Umweltverbänden, Menschenrechtsorganisationen und Projekten der Regierungen zur Förderung nachhaltigen Palmöls hält die illegale Abholzung des Regenwaldes und Trockenlegung von Torfmooren weiterhin an. Klare gesetzliche Vorgaben bleiben aus. Auch die durch die Bundesregierung unterstützte und am weitesten verbreitete Zertifizierung des “Roundtable on Sustainable Palm Oil” (RSPO) stößt auf immer größer werdende Kritik: Laut Greenpeace verfügen mehr als zwei Drittel der Erzeugergemeinschaften, die am stärksten mit wiederkehrenden Bränden in Verbindung stehen, über Mitgliedschaften für den “Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl” (RSPO). (815)
Einige Umweltverbände wie “Rettet den Regenwald” und “Pro-Wildlife” fordern daher den vollständigen Verzicht bzw. Ersatz von Palmöl, um den Bestand der Regenwälder zu erhalten. Der WWF wiederum veröffentlichte im Jahre 2016 genau zu diesem Thema eine umfangreiche Studie und folgerte damals, dass der vollständige Ersatz von Palmöl die ökologischen Probleme nur verschlimmern würde, da heimische Ölpflanzen und auch Kokospalmen, wie oben erwähnt, deutlich mehr Fläche als Ölpalmen benötigen, um den gleichen Ertrag zu liefern. (811,816) Kritiker der WWF-Studie sahen vor allem die Einsparmöglichkeiten von Palmöl bei Weitem nicht ausreichend berücksichtigt.
Einsparmöglichkeiten und Alternativen
Während unserer Recherchen hat sich folgendes Bild immer klarer abgezeichnet: Ein vollständiger Verzicht auf Palmöl wird kaum möglich sein und erscheint aufgrund des höheren Flächenbedarfs alternativer Ölpflanzen wie Soja, Raps oder Sonnenblumen nicht sinnvoll. Sogar Greenpeace warnt davor, Palmöl grundsätzlich durch andere Pflanzenöle zu ersetzen. (806)
In einem Punkt waren sich jedoch nahezu alle Verbände und Organisationen einig: Gerade in der EU kann und sollte der Palmölverbrauch durch die Abschaffung von Biodiesel massiv gesenkt werden. Allein damit könnte der Palmölbedarf in der EU um mehr als die Hälfte reduziert werden. Die von der EU in Auftrag gegebene Studie GLOBIOM geht von einem direkten und massiven Klimaschaden durch nach Europa importiertes Palmöl aus. Palmöl basierter Diesel hat dieser Studie zufolge eine dreimal schlechtere Klimabilanz als fossiler Diesel. (808,816)
Wie weit der Ersatz von Palmöl in Nahrungsmitteln und Kosmetika gehen sollte, darüber herrscht hingegen Uneinigkeit. Auch länderweise ist hier ein unterschiedliches Vorgehen zu beobachten. Bei Lebensmitteln und Tierfutter gibt es durchaus Ersatzmöglichkeiten mit Ölen aus heimischen Pflanzen wie Sonnenblumen oder Raps – die jedoch wie erwähnt einen deutlich höheren Flächenbedarf haben. Viele Lebensmittelhersteller in Österreich, Italien oder Spanien ersetzen Palmöl zumeist mit Sonnenblumenöl. In Deutschland wird hingegen mehr Wert auf die Förderung nachhaltigen Palmöls gelegt. (817)
Übrigens: Im Jahr 2014 wurde in der EU eine Kennzeichnungspflicht für Palmöl in Lebensmitteln eingeführt. Für Kosmetika, Reinigungsmittel, Kerzen und andere Produkte gibt es allerdings bis heute keine klare Deklarationspflicht. Hier verbergen sich Palm- und Palmkernöl in einer langen Liste von Bezeichnungen.
Besonders schwierig gestaltet sich der Ersatz für die Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika. In diesem Bereich ist Palmöl aus technischen Gründen sehr schwer ersetzbar und wenn dies möglich ist – beispielsweise mit Kokosöl wie das bei der Marke Hauschka verwendet wird – dann müssen Nachteile in puncto Anwendbarkeit, Bezahlbarkeit und/oder Akzeptanz hingenommen werden. Zudem wachsen Kokospalmen in den gleichen klimatischen Verhältnissen wie Ölpalmen – aus rein ökologischen Gesichtspunkten also kein guter Ersatz. In Deutschland experimentiert das Unternehmen Werner & Mertz (Frosch) mit europäischen Pflanzenölen für die Anwendung in Reinigungsmitteln und versucht sich mit Sonnenblumenöl in Spülmittel und Rapsöl in Scheuermilch, wobei mit Vitamin C und E kombiniert wird, um dem Ranzigwerden vorzubeugen. Jedoch: Palmkernöl ist extrem schwer zu ersetzen, technisch aufwändiger und Nachteile in Haltbarkeit, Fließeigenschaften und Geruch müssen hingenommen werden.
Selbst Naturkosmetikfirmen wie Annemarie Börlind, die erklärt auf Nachhaltigkeit setzten, greifen zu Palmölderivaten: Bei der Herstellung vieler Kosmetikprodukte seien Palmölderivate als natürliche Emulgatoren, Konsistenzgeber und Stabilisatoren unverzichtbar. Zudem würde der Wechsel von Palmöl auf eine andere Ölsaat das Rohstoffproblem nur verlagern und neue Monokulturen lancieren, die allein schon aufgrund der schlechteren Ertragskraft abzulehnen seien – so Annemarie Börlind in einem Interview. (818)
Die Macaubapalme als Alternative
Eine vielversprechende Alternative könnte das Öl der Macaubapalme sein. Bei ähnlich hohen Erträgen gedeiht die widerstandsfähige Pflanze in kälteren und trockeneren Gebieten als die Ölpalme, weshalb für ihren Anbau kein Regenwald abgeholzt werden muss. (819) Dass das Öl der Macaubapalme einen neuen, vielversprechenden Markt eröffnen könnte, wurde auch von großen (Energie-)Unternehmen erkannt: Verschiedene Industrieunternehmen wie die Lufthansa und der südamerikanische Mega-Konzern Votorantim sowie verschiedene Forschungseinrichtungen weltweit, u. a. deutsche Universitäten, führten bereits Machbarkeitsstudien durch. (820,821) Erste Versuche liefen auf Weideland in Südamerika: laut Hochrechnungen der Leuphana-Universität Lüneburg könnten bei gesamter Nutzung des südamerikanischen Weidelandes – ohne die Weidewirtschaft zu beeinträchtigen – insgesamt über 80 Millionen Tonnen Macauba-Öl pro Jahr produziert werden – mehr als die derzeitige gesamte Palmölproduktion. (821) Doch ganz so einfach scheint es nicht zu sein: die Samen der Wildpalmen benötigen fünf Jahre, um zu keimen und die derzeitigen Wildpalmen liefern laut der staatlichen Universität von Santa Catarina bislang nur unzureichende Ergebnisse in Bezug auf die technische Verwertbarkeit als Biosprit. (820) Erste Erfolge zur Beschleunigung der extrem langsam keimenden Macaubasamen gab es bereits im Jahr 2014: Durch Wachstumsbehandlungen begannen die Samen bereits nach zwei statt üblicherweise fünf Jahren zu keimen. (822,823) Forschungen zu den bestgeeignetsten Macaubavarianten für die industrielle Anwendung laufen auf Hochtouren und Kritiker befürchten nun, dass die natürliche Vielfalt der Macaubapalme gentechnischen Eingriffen und/oder speziellen Züchtungen zum Opfer fallen könnte. Letztendlich könnte es dann auch hier – wie schon bei der Ölpalme – zu einer gewinnoptimierten Verbreitung einzelner Macaubavarianten kommen, was höchstwahrscheinlich mit spezifischen Düngemaßnahmen und Pestiziden “zur Pflege” riesiger Monokulturen einher geht. (820) Ob die Macaubapalme also in Zukunft einen Teil des Palmölbedarfes decken wird – und wie dies aussehen könnte – bleibt noch abzuwarten.
Für allgemeine Informationen zum Thema Palmöl siehe Kapitel 30.