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30.3 Nachhaltige Palmölnutzung und Zertifizierungen

Tatsache ist, dass, um den derzeitigen Bedarf an Palmöl zu decken, nach wie vor illegal Regenwald abgeholzt wird und somit sowohl Menschen als auch (bedrohte) Tierarten ihren Lebensraum verlieren. Auch die Art des Anbaus in Form riesiger Monokulturen unter massivem Einsatz von Pestiziden und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ist vollkommen inakzeptabel. Dennoch: Aus verantwortungsvollen Quellen gewonnen, könnte Palmöl tatsächlich besser sein als sein Ruf. Eine komplette Verbannung des vielseitig einsetzbaren Pflanzenöls scheint nicht die Lösung des Dilemmas zu sein. Sicherlich gibt es massive Einsparmöglichkeiten, die genutzt werden sollten – wie z. B. die Nutzung als Biodiesel. Aus Produkten, in denen es schwer zu ersetzen ist, wie Wasch- und Reinigungsmittel und zum Teil auch Kosmetika, sollte Palmöl jedoch momentan nicht verbannt werden. Teilweise wird hier auf Produkte aus Kokosöl zurückgegriffen. Doch wie erwähnt, verlagert dies das Problem nur. Kokospalmen werden ebenfalls in den gleichen Klimaregionen wie Ölpalmen angebaut – nur, dass sie für den gleichen Ertrag mehr Fläche benötigen. Noch mehr Flächen benötigen Jojoba, Argan, etc. Daher halten wir die Nutzung von Palmöl in bestimmten Produkten und unter bestimmten Bedingungen als vertretbar. Doch wie sehen diese Bedingungen aus? Und wie erkenne ich, ob das Palmöl tatsächlich aus solch einer Quelle stammt?

Im Folgenden geben wir jeweils einen kurzen Überblick über die einzelnen für Palmöl relevanten Zertifizierungen. Wir haben uns hier bewusst auf Siegel beschränkt, die eine Bedeutung für Kosmetikprodukte haben, da dies einer der Märkte mit den geringsten Ersatzmöglichkeiten durch andere pflanzliche Öle ist.

Auf eine kurze Analyse des Marktes und grundlegende Begriffserklärungen folgt die Beschreibung der “großen” Siegel RSPO bzw. POIG und des Forums Nachhaltiges Palmöl FONAP, welches speziell in Deutschland eine relativ große Bedeutung hat. Im Anschluss folgen weitere Zertifizierungen: für einen besseren Überblick haben wir uns – auch wenn die Übergänge zum Teil fließend sind – für eine Kategorisierung nach Biosiegeln und Zertifizierungen für fairen Handel entschieden.

Grundlegende Begriffserklärungen

Eng verbunden mit den Zertifizierungen sind die für Palmöl relevanten Handelsmodelle. Das gewählte Handelsmodell ist entscheidend dafür, ob der Käufer tatsächlich 100 % biologisch bzw. gemäß Zertifizierungskriterien erzeugtes Palmöl erwirbt (Identity Preserved / Segregation) oder in seinem Produkt nur zu einem bestimmten Prozentsatz zertifiziertes Palmöl mit konventionell erzeugter Ware enthalten ist (Massebilanzmodell). Im schlechtesten Falle wird lediglich mit einem höheren Preis für die Unterstützung von zertifiziertem Palmöl bezahlt, während das erworbene Produkt zu 100 % aus nicht zertifizierter Ware bestehen kann (Book and Claim). Leider ist dies für Kleinbauern oft die einzige Möglichkeit, ihr Palmöl zu verkaufen. Um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Siegeln wirklich verstehen zu können, ist eine kurze Erklärung dieser für die Palmölindustrie relevanten Handelsmodelle also unumgänglich:

IP (Identity Preserved) und SG (Segregation): 100 % zertifiziertes Palmöl

IP (Identity Preserved) ist das anspruchsvollste Handelsmodell. Hierbei werden die Handelswege von zertifiziertem und konventionellem Palmöl von der Plantage bis zum Endprodukt getrennt. Das so produzierte Palmöl ist zu 100 % bis zur Plantage rückverfolgbar.

Das SG-Modell (Segregation) garantiert ebenfalls eigenständige Lieferketten für zertifiziertes Öl. Anders als beim IP-System wird das Palmöl aus mehreren zertifizierten Plantagen vermischt.

MB (Massebilanzmodell): bestimmter Anteil zertifizierten Öls

Beim MB-Modell (Massenbilanzmodell) wird nachhaltiges, zertifiziertes Palmöl mit konventionellem, nicht-zertifizierten Palmöl in der Wertschöpfungskette gemischt. Der Anteil zertifizierter Ware wird lediglich buchhalterisch sichergestellt. Diese Option ist weit verbreitet und insbesondere für die Nutzung von Palmkernöl sowie von Palmölderivaten, wie sie häufig in Wasch- und Reinigungsmitteln, aber auch in Kosmetika vorkommen, relevant. Auch große Naturkosmetiksiegel wie NATRUE und BDIH greifen auf Palmöl aus diesem Handelsmodell zurück. Im Produkt ist daher nicht zertifiziertes Material enthalten. Deklarierungen wie “unterstützt nachhaltige Produktion” oder “zu x % aus nachhaltigem Anbau” sind möglich.

B&C (Book and Claim): reiner Zertifikatehandel

Das Book and Claim-Modell ist ein reiner Zertifikatehandel. Zertifiziertes Palmöl wird mit nicht-zertifiziertem Palmöl gemischt, sodass unklar ist, ob es sich um Palmöl aus einer zertifizierten oder nicht-zertifizierten Plantage bzw. eine Mischung handelt. Die Betreiber der zertifizierten Plantagen verkaufen lediglich Zertifikate in Höhe ihrer gelieferten Menge.

Eine Besonderheit stellen die sogenannten I.S.-Zertifikate (Independent Smallholder Zertifikate = ausschließlich für unabhängige Kleinbauern) dar, die auch im RSPO gehandelt werden. Der Verkauf dieser Zertifikate ist für unabhängige Kleinbauern oft die einzige Option, Palmöl nachhaltig zu produzieren und anschließend zu verkaufen. Das FONAP stellt I.S.-Zertifikate aus diesem Grund allen anderen Handelsoptionen gleich. (824)

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