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7.1 Toxische Pflanzenstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und Tees

7.1.1 Pyrrolizidinalkaloide

Pyrrolizidinalkaloide sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die von vielen Pflanzen zum Schutz vor Fraßfeinden gebildet werden. Bislang sind 660 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide bekannt, die von circa 6.000 verschiedenen Pflanzenspezies gebildet werden. Obwohl längst nicht alle Pyrrolizidinalkaloide toxisch sind, ist diese Stoffgruppe sehr in Verruf geraten.

Einige Unterformen haben in hoher Dosierung tatsächlich akute und chronische lebertoxische Eigenschaften und in Tierversuchen wurden karzinogene Wirkungen nachgewiesen. (94,226) Die toxischen Effekte der Pyrrolizidinalkaloide hängen von ihrer Bioaktivierung in der Leber in sogenannte Pyrrole ab. Diese Pyrrole sind starke Agenzien, die mit zellulären Proteinen und DNA interagieren können und somit letztendlich zu Fehlfunktionen und gegebenenfalls zum Absterben der Zelle sowie zu fehlerhafter Zellteilung führen. In der Leber stören sie z. B. den Kupferstoffwechsel und den Proteinmetabolismus. (94) Über diese Funktionsweisen führen sie zu Leberschäden und anderen toxischen Effekten. Nach wenigen Wochen kann es zu einer Lebervergrößerung und -verhärtung kommen. Charakteristisch für eine akute Vergiftung sind Schmerzen im Oberbauch, Bauchwassersucht, Übelkeit und Erbrechen. Seltener können Gelbsucht und Fieber auftreten. Eine akute Vergiftung kann unter Umständen tödlich enden. (227)

Unter den vermehrt Pyrrolizidinalkaloide bildenden Pflanzen befinden sich vor allem auch einige klassische Heilpflanzen, wie z. B. der Beinwell, der bei Knochenbrüchen und Prellungen Verwendung findet oder der Huflattich, der sich in der Naturheilkunde als Hustenmittel bewährt hat. Insbesondere Pflanzen der folgenden Pflanzenfamilien bilden vermehrt Pyrrolizidinalkaloide: (225,228)

  • Korbblütler (Asteraceae): z. B. Wasserdost (Eupatoria), Huflattich (Tussilago) und Pestwurz (Petasites),
  • Raublattgewächse (Boraginaceae): z. B. Borretsch, Beinwell, Lungenkraut und Sonnenwenden (Heliotropium spp.),
  • Hülsenfrüchtler (Fabaceae): z. B. Klapperhülsen-Arten (Crotolaria).

Dabei muss beachtet werden, dass nicht alle Pflanzenteile gleichermaßen hohe Pyrrolizidinmengen aufweisen. Die Wurzeln des Beinwells beispielsweise enthalten besonders hohe Mengen. Auch die Standortbedingungen und Erntezeit spielen eine große Rolle. (225,229)

In Verruf kamen die Pyrrolizidinalkaloide im Jahr 1988, als ein Einzelfallbericht im Journal of Pediatrics veröffentlicht wurde. In dieser Studie wird der Fall eines Neugeborenen beschrieben, das kurz nach der Geburt starb, nachdem die Mutter täglich Tee mit pyrrolizidinhaltigen Pflanzen getrunken hatte. (230) Das BGA verbot daraufhin die Herstellung von Arzneimitteln, die Huflattich, Borretsch, Pestwurz, Beinwell und Waldkreuzkraut enthielten. Viele Naturheilkundler sahen dies als einen Angriff auf die Naturheilkunde per se. Zudem gab es zahlreiche Zweifel an der Richtigkeit des genannten Einzelfallberichts, z. B. ob überhaupt Huflattich in dem Tee enthalten war, den die Frau täglich zu sich genommen hatte. (225)

Neben diesem in der Presse viel diskutierten Einzelfall existieren weitere Berichte von zum Teil tödlichen Vergiftungen durch pyrrolizidinhaltige Pflanzen. Zumeist handelt es sich hierbei um den Verzehr von Tee. Besonders schwerwiegende Vergiftungserscheinungen mit starken Leberschädigungen oder tödlichem Ausgang werden vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern beschrieben. (231)

Rechtliche Vorraussetzungen

Wie erwähnt, sind längst nicht alle Pyrrolizidinalkaloide toxisch. Die EFSA empfiehlt für Zwecke des Monitorings ein Untersuchungsspektrum von 17 Pyrrolizidinalkaloiden. Dieses Vorgehen wurde von der EU-Kommission um vier weitere Substanzen auf insgesamt 21 Pyrrolizidinalkaloide erweitert. Die BfR-Methode erfasst 28 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide und ihre Derivate. Dies ist auch der heute in Deutschland in den meisten Auftragslaboren etablierte Prüfumfang. Alle 21 Pyrrolizidinalkaloide des EU-Spektrums sind im BfR-28-Spektrum enthalten.

In Europa wurden Höchstgehalte für Pyrrolizidinalkaloide aufgrund fehlender Daten lange Zeit nicht gesetzlich festgelegt. Sämtliche Risikobewertungen fundierten im Grunde ausschließlich auf zwei an Ratten durchgeführten Tierstudien aus den Jahren 1978 und 2003. (232,233) In beiden Studien wurde die Bildung von Hämangiosarkomen, also bösartiger Lebertumore, beobachtet. Aufgrund dieser Studien schlussfolgerte die EFSA im Jahr 2011, dass 1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide genotoxische und kanzerogene Eigenschaften besäßen sowie ab einer Menge von 1 bis 3 mg/kg Körpergewicht und Tag akut-toxische Wirkungen auftreten. (234) Diese Ergebnisse wurden auch vom BfR bestätigt. (235) Aus diesen Versuchen ermittelten die Behörden mit teils sehr komplexen Berechnungen bestimmte Grenzwerte, die letztendlich einer Risikobewertung beim Menschen dienen sollen. Gleichzeitig wird aber betont, dass sich bei genotoxischen Stoffen prinzipiell keine untere Wirkschwelle ermitteln ließe, da selbst geringe Aufnahmemengen, insbesondere bei regelmäßigem Verzehr, mit einer Erhöhung gesundheitlicher Risiken verbunden seien. Die Empfehlung ist daher, diese Stoffe bestmöglich zu minimieren. Im Folgenden eine kurze Auflistung der berechneten Werte:

  • BMDL10-Wert (Benchmark Dose Lower Confidence Limit 10): Referenzwert aus den zwei genannten Tierstudien zur Berechnung des MOE (s. u.). Im Jahre 2011 wurde der BMDL10-Wert bei 70 µg/kg Körpergewicht und Tag festgelegt und im Jahre 2017 aufgrund einer erneuten Analyse der Dosis-Wirkungs-Zusammenhänge auf 237 µg/kg Körpergewicht und Tag angepasst. (234,236)
  • Exposition Margin of Exposure (MOE)-Werte: Der MOE-Wert ist der Quotient aus einem geeigneten Referenzpunkt (BMDL10-Wert) – d. h. einer Dosis, die in diesem Fall mit einem bestimmten Anstieg der Tumorrate assoziiert ist und der Exposition des Menschen gegenüber dieser Substanz.
  • No Observed Adverse Effect Level (NOAEL): Höchste Konzentration oder Menge eines Stoffs, bei der in einer exponierten Population keine nachweisbare nachteilige Wirkung auftritt. Basierend auf den zwei genannten Tierstudien und bezogen auf die aufgetretenen Leberschädigungen (Hepatocytomegalie) wurde der NOAEL im Jahr 2016 auf 10 µg/kg Körpergewicht und Tag festgelegt.
  • Gesundheitsbezogener Richtwert (Health Based Guidance Value, HBGV): Unter Anwendung eines Sicherheitsfaktors von 100 aus dem NOAEL abgeleitet: 0,1 µg/kg Körpergewicht und Tag für nicht-neoplastische Schädigungen. Für einen Erwachsenen mit 70 kg Körpergewicht bedeutet dies eine Maximalzufuhr an Pyrrolizidinalkaloiden von 7 µg pro Tag.

Basierend auf diesen Analysen schlug der BfR im Jahr 2018 einen Höchstgehalt von 1.000 µg/kg Pyrrolizidinalkaloiden in Nahrungsergänzungsmitteln vor. (235) Aufgrund neuerer, im Folgenden noch dargestellten Untersuchungen gilt seit dem 1. Juli 2022 nun erstmals eine europaweit geltende Verordnung (EFSA). Gemäß dieser Verordnung [(EU) 2020/2040] gelten nun offiziell die folgenden Höchstmengen für bestimmte Pyrrolizidinalkaloide (Auszug): (237)

  • Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel, inklusive Extrakte: 400 µg/kg
  • Nahrungsergänzungsmittel auf Pollenbasis: 500 µg/kg
  • Kräutertees (für Erwachsene): 150 bis 400 µg/kg
  • Getrocknete Kräuter: 400 bis 1000 µg/kg

Allerdings gilt eine Übergangsfrist für alle aufgeführten Lebensmittel, die vor dem 1. Juli 2022 rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden. Diese dürfen bis zum 31. Dezember 2023 noch vermarktet werden.

Erfreulicherweise wird nicht gänzlich von der Einnahme pyrrolizidinhaltiger Pflanzen abgeraten, wodurch die Nutzung und vor allem der positive Nutzen zahlreicher traditioneller Heilpflanzen erhalten bleibt. Die Bestrebungen zielen vielmehr darauf ab, die Produzenten zur Eintragsminimierung durch zum Beispiel eine gute Erntepraxis und Minimierung von mitgeernteten Beikräutern zu bewegen. Laut Aussage eines führenden unabhängigen Labors sind alle Erzeuger kritisch zu betrachten, die bei Maschinenernte viele Beikräuter miternten und diese nicht aussortieren. Besonders häufig betroffen sind Produkte aus Indonesien und Argentinien. Unsere Teefarmen kennen das Problem und sortieren Beikräuter mit großem Aufwand manuell aus. Regelmäßige Laboranalysen ausgewählter Produkte, wie beispielsweise unserer Tees sowie Propolis, zählen zu unserem Qualitätssicherungsprogramm.

Pyrrolizidinalkaloide in Tees und Nahrungsergänzungen

Im Jahr 2015 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe im Auftrag der EFSA eine große Untersuchung an insgesamt 1105 Proben tierischer wie pflanzlicher Produkte, inklusive Tees und Nahrungsergänzungsmittel. (228) Der Untersuchung zufolge sind die Hauptquellen für Pyrrolizidinalkaloide Kräutertees, einschließlich Rooibostee sowie schwarzer und grüner Tee und Honig. 91 % der Tees enthielten Pyrrolizidinalkaloide. Als eine weitere potenzielle Aufnahmequelle wurden bestimmte pflanzenbasierte Nahrungsergänzungsmittel identifiziert. Laut der EFSA-Untersuchung enthielten 60 % der untersuchten 191 Nahrungsergänzungsmittel Pyrrolizidinalkaloide.

Die Summe der Pyrrolizidinalkaloide in Teeaufgüssen war im Mittel 6,13 µg/l Tee, beziehungsweise 459,6 µg/kg bezogen auf das trockene Rohmaterial. Getestet wurde schwarzer und grüner Tee sowie Kamillen-, Pfefferminze- und Rooibostee und Teemischungen.

Tabelle: Pyrrolizidinalkaloidgehalte in Tee

Rohmaterial

N

Min (µg/kg)

MW (µg/kg)

Max (µg/kg)

Kräutertees

(Tee Rohmaterial)

166

nicht nachweisbar

459,6

4.804,5

Aufguss

N

Min (µg/l)

MW (µg/l)

Max (µg/l)

Kräutertees (Teeaufguss)

166

nicht nachweisbar

6,13

64,08

Abkürzung: N = Anzahl der Proben, Min = minimaler gemessener Gehalt, MW = Mittelwert, Max = maximaler gemessener Gehalt

Quelle: (228)

Ähnliche Werte wurden in einer weiteren Untersuchung der CVUAs (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt) Stuttgart und Karlsruhe ermittelt. (229) Hier waren 71 von 93 Kräutertees positiv auf Pyrrolizidinalkaloide getestet worden. Den Spitzenwert erzielte hier ein Kamillentee mit 1400 µg/kg im Rohmaterial. Die empfohlene Tageszufuhr wurde für Erwachsene bei sechs Kamillentees mit bereits einer Tasse überschritten. Für Kinder wurde bei 43 % der getesteten Produkte mit einer Tasse Tee der empfohlene Höchstwert überschritten, davon 15 Kamillentees, sechs Melissentees, fünf Pfefferminztees, drei Brennnesseltees und ein Fencheltee mit Anis und Kümmel.

Interessant wird es bei den pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln. In den Untersuchungen der EFSA wurden neben insgesamt 30 Produkten, die Pyrrolizidinalkaloide bildende Pflanzen enthielten, 107 Nahrungsergänzungsmittel untersucht, die überhaupt keine Pyrrolizidinalkaloide bildenden Pflanzen enthalten sollten. Dennoch wurden in 63 % dieser Proben Pyrrolizidinalkaloide gefunden; mit einem Pyrrolizidinalkaloidgehalt von im Mittel 317,6 µg/kg.

Unter den Nahrungsergänzungsmitteln, die Pyrrolizidinalkaloide produzierende Pflanzen enthielten, waren 18 Produkte für die direkte Zufuhr vorgesehen und 12 Produkte Teezubereitungen; hierzu gehörten Huflattich, Lungenkraut und Borretsch. Die Pyrrolizidinalkaloidgehalte der Teeaufgüsse waren im Mittel deutlich höher als in den oben genannten “herkömmlichen” Tee-Zubereitungen (85,8 versus 6,13 µg/l). Ebenso verhielt es sich natürlich mit den Gehalten im trockenen Rohmaterial (6.438,4 versus 459,6 µg/kg). Die höchsten Werte erreichten jene Nahrungsergänzungsmittel, die dem direkten Verzehr dienten – also z. B. Produkte als Pflanzenextrakte oder in Kapsel-, bzw. Tablettenform. Hier wurden im Mittel Pyrrolizidinalkaloidgehalte von 196.534 µg/kg gemessen.

Tabelle: Pyrrolizidinalkaloidgehalte in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)

Rohmaterial

N

Min (µg/kg)

MW (µg/kg)

Max (µg/kg)

N (%)

> 1000 µg/kg

NEM gesamt

191

nicht nachweisbar

19.141

2.410.275

16

NEM ohne PA

107

nicht nachweisbar

317,6

8.488,10

7

NEM mit PA

(direkte Zufuhr)

18

nicht nachweisbar

196.534

2.410.275

33

NEM mit PA

(Tee Rohmaterial)

12

179.8

6.438,4

31.101

58

Aufguss

N

Min (µg/l)

MW (µg/l)

Max (µg/l)

N (%)

> 1000 µg/kg

NEM mit PA

(Teeaufguss)

12

2,4

 

85,8

417,7

keine Angabe

Abkürzungen: Abkürzung: N = Anzahl der Proben, Min = minimaler gemessener Gehalt, MW = Mittelwert, Max = maximaler gemessener Gehalt, NEM = Nahrungsergänzungsmittel

Quellen: (228,235)

Die höchsten Konzentrationen wurden also erwartungsgemäß in Produkten mit Pflanzenmaterial aus Pyrrolizidinbildnern gefunden. Den vom BfR vorgeschlagenen Höchstgehalt von 1000 µg/kg überschritten 16 % der 191 Proben. 58 % der Teezubereitungen und 33 % der zum direkten Verzehr bestimmten Produkte überschritten den Grenzwert. Eine Ausnahme bilden Supplemente, die Öl-basierte Extrakte von pyrrolizidinbildenden Pflanzen enthielten. Diese waren frei von Pyrrolizidinalkaloiden.

Als Hauptursache für das Vorhandensein der Abwehrstoffe in nicht pyrrolizidinbildenden Pflanzen wird vor allem die parallele Ernte von pyrrolizidinbildenden Beikräutern genannt, jedoch gibt es auch Hinweise dafür, dass die Aufnahme von Pyrrolizidinalkaloiden aus dem Boden keine unerhebliche Rolle spielt. Untersuchungen hierzu zeigen, dass Pflanzen, die auf zuvor mit pyrrolizidinhaltigem Pflanzenmaterial gemulchtem Boden wachsen, die Pflanzenabwehrstoffe in unterschiedlich starkem Maße aufnehmen. Insbesondere in Petersilie konnten nach einer Woche deutliche Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden (etwa 120 µg/kg) nachgewiesen werden. Etwas geringere Mengen enthielten die anderen Versuchspflanzen: in abnehmender Reihenfolge: Kamille, Melisse und Pfefferminze. (238) Auch die parallele Anpflanzung des Pyrrolizidinbildners Jakobs-Greiskraut (Senecio jacobaea) führte zu deutlich nachweisbaren Mengen an Pyrrolizidinalkaloiden in zum Beispiel Petersilie (200 µg/kg).

Risikobewertung

In der Stellungnahme der EFSA aus dem Jahr 2017 wurden neben Honig und Tee auch Nahrungsergänzungsmittel berücksichtigt. Kanzerogene Wirkungen erschienen der EFSA unter bestimmten Verzehrbedingungen (also reichlicher Verzehr hoch belasteter Produkte) als möglich. Selbst das Auftreten akut-toxischer Wirkungen durch den Verzehr bestimmter Supplemente, die auf pyrrolizidinalkaloidbildenden Pflanzen basieren, wurden als möglich erachtet. (236)

Auch aus Sicht des BfR sind die über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommenen Mengen durch Produkte mit hohen Pyrrolizidin-Gehalten deutlich bedenklich. (231) Selbst bei Einhaltung des vom BfR vorgeschlagenen Höchstwertes von 1000 µg/kg würden die Supplemente deutlich zur Gesamtaufnahme an Pyrrolizidinalkaloiden beitragen. Für Nahrungsergänzungsmittel seien nach Auffassung des BfR strengere Bewertungskriterien anzulegen als für Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs, da “einem fraglichen ernährungsspezifischen oder physiologischen Nutzen die genotoxisch-kanzerogenen Wirkungen durch 1,2-ungesättigte Pyrrolizidinalkaloide gegenüber stehen”. Das BfR empfiehlt daher grundsätzlich, Nahrungsergänzungsmittel auf Basis pyrrolizidinalkaloidbildender Pflanzen – mit Ausnahme der Öl-basierten Produkte – nicht zu verwenden. Darüber hinaus weist das BfR darauf hin, dass sich die lebertoxischen Eigenschaften der Pyrrolizidinalkaloide durch Kombination mit weiteren lebertoxischen Stoffen, wie Aflatoxinen, gegenseitig verstärken könnten. Auch bei bestehenden Leberschädigungen könne das Gesundheitsrisiko unterschätzt werden.

Die FDA stuft Pyrrolizidinalkaloide ebenfalls als gefährlich ein und hat die innerliche Anwendung von verschiedenen Symphytum Arten (S. officinale, S. asperum, S. uplandicum) verboten. (94) Die Einschätzung der FDA bezieht sich ebenfalls hauptsächlich auf genannte Studien an Ratten.

Diese Studien und die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen werden von anderen Autoren vor allem aufgrund der unrealistisch hohen, teilweise über Magensonden zwangsverfütterten Mengen an Pyrrolizidinalkaloiden stark kritisiert. (225)

Der Kulturanthropologe, Ethnobotaniker Prof. Wolf-Dieter Storl zitiert auf seiner Internetplattform verschiedene Wissenschaftler, die der vermeintlichen Bedrohung durch Pyrrolizidinalkaloide offenbar eine geringere Bedeutung beimessen. Rudolf Fritz Weiß, Doyen der medizinischen Phytotherapie und Mitglied der Kommission E, schreibt, dass “Pyrrolizidinalkaloide in traditioneller therapeutischer Dosierung praktisch vernachlässigt werden können”. Prof. Dr. Wolfgang Holzer vom Botanischen Institut der Universität für Bodenkultur (Wien) schreibt in Bezug auf Pyrrolizidinalkaloide in Huflattich: „Da aber diese Stoffe im Huflattich nur in ganz geringen Konzentrationen vorkommen, müsste man ungeheure Mengen der Droge vertilgen, um tatsächlich Schäden davonzutragen.” (225)

Demgegenüber stehen die Berichte über ernsthafte, zum Teil lebensgefährliche Vergiftungssymptome nach stark erhöhtem Konsum von Teeauszügen pyrrolizidinhaltiger Pflanzen – vor allem bei Kleinkindern. Durch die mögliche Aufkonzentrierung der toxischen Stoffe könnten auch Nahrungsergänzungsmittel und Pflanzenextrakte eine Gefahr darstellen, weshalb eine Messung des Pyrrolizidingehalts bei bestimmten Pflanzengruppen und Bienenprodukten unabdingbar ist.

Handlungsempfehlungen für Nahrungsergänzungsmittelhersteller

Aufgrund der zitierten Berichte von EFSA und BfR hat der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft) spezifische Handlungsempfehlungen für die Nahrungsergänzungsmittel-Branche erarbeitet. (226) Eine vollständige Vermeidung der Kontamination von pflanzlichen Rohwaren mit Pyrrolizidinalkaloiden ist nach dem heutigen Stand der Technik nicht möglich. (235)

Als wichtigster Ansatzpunkt wird die Minimierung der Eintragsquelle, also das „unbeabsichtigte Mit-Ernten und Verarbeiten von Unkräutern“ genannt. Insgesamt umfassen die Handlungsempfehlungen drei wesentliche Punkte:

  • Maßnahmen zur Problemidentifizierung (Analyse des Portfolios, Entwicklung von Prüfplänen, Erfahrungssammlung),
  • Eintragsminimierung (Auswahl der Pflanzen(-teile), kontrollierte Ernte, Zusammenarbeit mit Zulieferern) und
  • Risikobewertung (Analytik und Risikobewertung unter Einbezug der Tagesverzehrmenge).

Ziel der Maßnahmen ist es, durch eine verantwortungsvolle Vorgehensweise den Pyrrolizidinalkaloid-Eintrag über pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel in die Ernährung zu vermeiden bzw. so weit wie möglich zu senken.

Für mehr Informationen zu anderen toxischen Pflanzenstoffen siehe Kapitel 7.

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