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24.1 Verbotene “Wirkverstärker” und illegale Streckmittel

24.1.1 Potenzmittel, verbotene Schlankheitsmittel und Amphetamine

Neben Cross-Kontaminationen durch Nutzung gemeinsamer Produktionsanlagen (Kapitel 14.2) gibt es weitere auffällige Substanzgruppen, die in zum Teil nicht unerheblichen Mengen in Nahrungsergänzungen gefunden werden. Wir erwähnen dies hier, da es leider am Markt immer wieder vorkam, dass Nahrungsergänzungsmitteln illegale Stoffe zugefügt wurden, die zu Gesundheitsschädigungen führen können. Insbesondere durch den zunehmenden Vertrieb von ausländischen Nahrungsergänzungsmitteln über die großen Internetmarktplätze haben unseriöse Anbieter ein leichteres Spiel.

Im europäischen Schnellwarnsystem für Lebensmittel RASFF wird neben unbeabsichtigten Verunreinigungen mit Schwermetallen, krebserregenden Substanzen wie PAK und bakteriellen Belastungen, am häufigsten vor zu hoher Dosierung gewarnt und – vermutlich absichtlich hinzugefügten – nicht zulässigen Zutaten. Das können Arzneiwirkstoffe sein, die in Nahrungsergänzungsmitteln per Definition nicht enthalten sein dürfen oder in Europa generell nicht zugelassene Zutaten.

Auch der Blick auf die Liste (669) der gefundenen unerlaubten Wirkstoffe lässt vermuten, dass diese Verunreinigungen vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt zugefügt wurden. Vielmehr könnte die Wirkung der angebotenen Schlankheits-, Sportler- und Potenzmittel durch die Untermischung pharmakologischer Substanzen deutlich unterstützt werden. Folgende nicht zugelassene Mittel werden hierbei am häufigsten nachgewiesen:

  • die Potenzmittel Sildenafil, Homosildenafil und Tadalafil,
  • der aufgrund massiver Nebenwirkungen weltweit vom Markt genommene Appetitzügler Sibutramin,
  • das krebserregende Schlankheitsmittel Phenolphthalein,
  • Ephedra, welches Amphetamin-ähnliche Wirkung hat,
  • das Schlankheitsmittel Synephrin und
  • in Sportlerprodukten enthaltene leistungssteigernde Stoffe wie DMAA/Methylhexanamin, oder Dinitrophenol (DNP).

In dieser Auflistung handelt es sich also nicht nur um Arzneimittel, sondern sogar um illegale Substanzen wie das vom Markt genommene Schlankheitsmittel Sibutramin oder das als Partydroge bekannte Amphetamin DMAA. Wenn solche Substanzen in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden sind, kann kaum mehr von versehentlichen, prozessbedingten Verunreinigungen die Rede sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Hersteller solcher Produkte absichtlich durch Hinzufügen dieser “Wirkverstärker” Gewinnoptimierung betreiben. Die entsprechenden Substanzen können dann auch in Mengen vorhanden sein, die tatsächlich zu beträchtlichen gesundheitlichen Folgen führen – bis hin zu Todesfällen bekannter Athleten durch DMAA. (670)

Eine Analyse der Rückrufe von Nahrungsergänzungsmitteln in den USA durch die Arzneimittelbehörde FDA von 2004 bis 2012 führte zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie die oben beschriebene Sachlage für Europa. (671) Allen 237 Rückrufen lagen unerlaubte Arzneimittelbestandteile zugrunde. Zu 40 % waren Potenzmittel betroffen, 31 % entfielen auf Bodybuildingprodukte und 27 % auf Schlankheitsmittel. Interessanterweise offenbarte eine weitere Studie aus dem Jahr 2014, dass 66,7 % der von der FDA zurückgerufenen Nahrungsergänzungsmittel nach sechs Monaten immer noch verbotene Substanzen enthielten. (672)

Analysen aus anderen Teilen der Welt bestätigen diese Ergebnisse. Eine ausführliche Zusammenfassung existierender Literatur aus den Jahren 2012 bis 2017 bietet eine Publikation von Fibigr et al. aus dem Jahr 2018. (673) Auch hier zeigt sich, dass hauptsächlich Produkte der Kategorien Leistungssteigerung, Potenzmittel und Gewichtsreduktion von verbotenen pharmakologischen Substanzen verunreinigt waren. Unter mehr als 100 analysierten Proben für Potenzmittel enthielten 67 einen für Nahrungsergänzungsmittel verbotenen pharmakologischen Wirkstoff (Sildenafil oder Analoga), 33 Proben enthielten sogar mehr als einen dieser Wirkstoffe. Acht der Produkte enthielten Sildenafil in einer Größenordnung, wie sie für verschreibungspflichtige Medikamente üblich ist. Von 187 analysierten Produkten zur Gewichtsreduktion entsprachen nur 44 % der Zusammensetzung entsprechend dem Label. Alle anderen hatten pharmakologische Bestandteile zum Inhalt – hauptsächlich Sibutramin und Phenolphthalein oder eine Kombination derselben.

Aufschlussreich an dieser Publikation ist, dass neben den üblichen verdächtigen Produktsparten auch weitere Produkte Erwähnung finden: So finden sich zum Beispiel in Nahrungsergänzungen für Diabetiker Substanzen wie der Arzneistoff Metformin oder in antientzündlich wirksamen Produkten Diclofenac. Das Potenzmittel Sildenafil kommt in geringer Konzentration ebenfalls in Nahrungsergänzungen zur Blutdruckregulation vor. Augenscheinlich begrenzt sich die Verwendung dieser illegalen Wirkverstärker also keineswegs auf den üblicherweise im Fokus der Untersuchung stehenden Nahrungsergänzungen.

Für eine Übersicht zu weiteren illegalen Substanzen in Nahrungsergänzungen siehe Kapitel 24.

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