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4.1 Gesundheitsgefahren durch Pestizide

4.1.1 Glyphosat und AMPA

Glyphosat ist eines der häufigsten Herbizide weltweit. Laut Bund Naturschutz e. V. (BUND) wurden glyphosathaltige Mittel im Jahr 2010/2011 auf etwa 40 % der deutschen Ackerflächen eingesetzt. (156) Glyphosat ist ein Breitband- oder Totalherbizid, welches im Jahr 1974 unter dem Namen Roundup von der Firma Monsanto (seit 2018 Bayer) auf den Markt gebracht wurde. In Europa sind heute mehr als 300 verschiedene glyphosathaltige Herbizide von über 40 Herstellern im Einsatz. (157)

Glyphosat wirkt, indem es einen lebensnotwendigen, pflanzlichen Stoffwechselweg unterbricht und so das Wachstum nahezu aller Pflanzen zum Erliegen bringt. In Deutschland wird Glyphosat vor allem zur Vorbereitung der Äcker kurz vor der Aussaat oder nach der Ernte gespritzt. Dies ermöglicht die Vernichtung unerwünschter Vegetation ohne aufwendige, ackerbauliche Interventionen. Das heißt im Umkehrschluss, dass ein Verzicht auf Breitbandherbizide sehr viel mehr Arbeitseinsatz erfordert. Mit dem Einsatz von Glyphosat vor dem Anbau werden alle Beikräuter vernichtet und das Unterpflügen derselben erübrigt sich. Daher ist fraglich, ob ein Verbot glyphosathaltiger Herbizide tatsächlich zu ökologisch sinnvolleren Alternativen, entsprechenden mechanischen Arbeitsmethoden führen würde – oder nicht einfach andere (toxische) Mittel eingesetzt würden. (158)

Eine beliebte Anwendung war bis zum Jahr 2018 zudem das Spritzen kurz vor der Ernte, da es die Abreifung von zum Beispiel Weizen oder Raps beschleunigt und somit eine frühere Ernte ermöglicht. Dieses Verfahren, das Sikkation genannt wird, führt zu besonders hohen Rückständen in der Ernte und ist in Deutschland inzwischen nur noch in Ausnahmefällen erlaubt.

Anwendung findet das Herbizid vor allem auf Anbauflächen von Wintergetreide, Sommergetreide, Raps, Kartoffeln, Erbsen, Sonnenblumen, Mais, Zuckerrüben sowie im Obst- und Weinanbau, aber auch im Hausgarten, beim Anbau von Weihnachtsbäumen oder auf Bahngleisen. In Südeuropa werden außerdem Olivenhaine, Zitrusfrucht- und Nussplantagen mit glyphosathaltigen Mitteln behandelt. (157,159,160)

In Übersee werden im großen Maßstab gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, die mithilfe eines speziellen Gens die Glyphosatwirkung umgehen können. Hierzu gehören Soja, Mais, Raps, Zuckerrüben, Baumwolle oder Alfalfa. Die Resistenz gegen das Herbizid ermöglicht eine Behandlung nicht nur vor, sondern auch während des Anbaus der Kulturpflanzen. Die Kultivierung dieser gentechnisch veränderten Pflanzen ist zwar in Deutschland nicht erlaubt, jedoch werden zum Teil große Mengen gentechnisch modifizierten Sojas als Futtermittel importiert. Ein großer Nachteil dieses Anbauprinzips kristallisierte sich in den USA bereits nach wenigen Jahren des Anbaus der gentechnisch veränderten Pflanzen heraus: Es wurde eine massive Zunahme von Resistenzen gegenüber Glyphosat beobachtet, sodass zur Bekämpfung dieser Superunkräuter wiederum zusätzliche Herbizide ausgebracht werden mussten. (157)

In der Kritik ist Glyphosat aus vielerlei Gründen. Als unstrittig gilt, dass Glyphosat schädlich für Wasserorganismen ist und sich negativ auf die Artenvielfalt auswirkt. Dies ist zumindest in Deutschland auch der angeführte Hauptgrund für die schrittweise Einschränkung des Herbizids seit dem Jahr 2018.

Stark in der Kontroverse sind hingegen mögliche, schädigende Wirkungen auf den Menschen; vor allem die Kanzerogenität der Substanz wird von verschiedenen Gremien durchaus unterschiedlich bewertet. Viel Aufregung entstand im Jahr 2015, als es von der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) als “wahrscheinlich krebserregend für den Menschen” eingestuft worden ist. Demgegenüber stehen die Studien der mittlerweile zahlreichen Hersteller, die belegen sollen, dass Glyphosat nicht kanzerogen ist. Außerdem sei in der Einschätzung der IARC die Exposition (also die Menge, der man ausgesetzt ist) nicht berücksichtigt worden. Glyphosat sei in der angewendeten Menge unbedenklich. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA stufte Glyphosat im Jahr 2017 – entgegen der Auffassung der IARC – als nicht krebserregend ein, da die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse es nicht zuließen, Glyphosat als karzinogen zu bewerten. Daraufhin wurde Ende 2017 trotz vieler Widerstände die Zulassung für Glyphosat in Europa um weitere 5 Jahre bis Ende 2022 verlängert – die weitere Zulassung ist derzeit in erneuter Evaluierung. Nach dem Auslaufen der Wirkstoff-Genehmigung würde sich eine einjährige Abverkaufs- und Aufbrauchfrist anschließen, bis Glyphosat endgültig vom Markt genommen werden soll. (161)

In Deutschland unterliegt Glyphosat seit September 2018 verschiedenen Einschränkungen. Gemäß Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bestehen Verbote:

  • für die Verwendung von Glyphosat direkt vor der Ernte,
  • für die Verwendung in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten sowie verschiedenen Naturschutzgebieten,
  • für die Anwendung neuer glyphosathaltiger Mittel in Haus- und Kleingärten, Parks, Spiel- und Sportplätzen – bereits zugelassene Mittel dürfen weiter eingesetzt werden. (162)

Beim Ackerbau und auf Grünland darf Glyphosat nur noch angewendet werden, wenn es keine alternativen Möglichkeiten gibt.

Die Verbote werden in Deutschland – wie erwähnt – maßgeblich mit dem Insektenschutz und der Artenvielfalt begründet. Durch die großflächige Abtötung des gesamten Ackerwildkraut-Bewuchses wird nicht nur die Vielfalt der Flora stark reduziert, sondern folglich auch Insekten und Vögeln flächenhaft die Nahrungsgrundlage entzogen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in Glyphosat eine maßgebliche Ursache für das Artensterben in der Agrarlandschaft. (160)

Schädliche Wirkungen gehen übrigens nicht nur von Glyphosat selbst aus. Die in den fertigen Produkten enthaltenen Zusatzstoffe sind zum Teil noch bedenklicher. So werden dem bekannten Produkt Roundup bis zu 15 Prozent Tallowamine (polyethoxylierte Alkylamine, POEA) zugesetzt. Dabei handelt es sich um ein Mittel, welches die Glyphosat-Aufnahme durch die Pflanze fördert. Generell erleichtern solche Mittel auch die Aufnahme durch Zellmembranen tierischer und menschlicher Zellen. Tallowamine sind nicht nur giftiger als Glyphosat selbst, sondern verstärken auch die Giftigkeit von Glyphosat. (163) Daher wird vermutet, dass zumindest ein Teil der schädlichen Wirkungen glyphosathaltiger Mischungen gar nicht auf Glyphosat, sondern auf Hilfsstoffe wie Tallowamin zurückzuführen sein könnten. Diskutiert werden unter anderem mitochondriale Schäden, Zellschäden (Apoptose, Nekrose) und Störungen der embryonalen Entwicklung durch den Hilfsstoff. (164) In zahlreichen Studien konnten mittlerweile für unterschiedlichste Organismen dosisabhängige zelltoxische und genotoxische Effekte durch glyphosathaltige Mittel demonstriert werden. Zudem wurde eine Erhöhung von oxidativem Stress, Störungen des Östrogenhaushaltes, des Nervensystems und proentzündliche Wirkungen nachgewiesen. Auch die Entstehung einiger Krebsarten scheint mit entsprechenden glyphosathaltigen Herbiziden in Zusammenhang zu stehen. (165)

Besonders bedenklich sind Berichte von Umweltschutzorganisationen über die Situation in Südamerika. In den Hauptanbaugebieten glyphosatresistenter Genpflanzen wird Roundup per Flugzeug versprüht, sodass die Menschen, die dort leben, dem direkten Kontakt mit dem Herbizid ausgesetzt sind. Berichten des NABU zufolge steigt in der Nähe solcher Anbaugebiete die Krebsrate, insbesondere unter Kindern, bedenklich. Ebenso häufen sich Fehlgeburten und Missbildungen. (166)

Grenzwerte für Lebensmittel existieren in Europa übrigens nur für Glyphosat selbst – nicht für sein Abbauprodukt AMPA und auch nicht für Tallowamin. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat im Juni 2010 jedoch veranlasst, den Einsatz des Zusatzstoffes zu beschränken: Pflanzen, die mit POEA-haltigen Herbiziden gespritzt wurden, dürfen in Deutschland nicht sofort als Lebens- und Futtermittel verwendet werden. (157)

Dass Glyphosat-Belastungen nicht nur in den Anbaugebieten Südamerikas ein Problem darstellen, belegen Urinanalysen. Auch wenn die entsprechenden Untersuchungen sofort nach deren Erscheinen von behördlicher Seite relativiert wurden – weil die gemessenen Konzentrationen deutlich unterhalb zulässiger Grenzwerte lagen – so zeigt sich doch, dass selbst bei Menschen aus Großstädten das Herbizid im Urin zu finden ist. (167) In der vom Umweltbundesamt initiierten Studie wurde im Jahr 2013 Glyphosat im Urin von 70 % der in Deutschland sowie 44 % der europaweit getesteten Personen nachgewiesen. (168) Da die Mehrzahl dieser Menschen wahrscheinlich niemals in direktem Kontakt mit dem Herbizid kam, ist zu vermuten, dass in erster Linie Lebensmittel und Trinkwasser die entsprechenden Kontaminationsquellen darstellen. Entsprechende Tests auf Rückstände von Glyphosat und seinem Abbauprodukt AMPA in Nahrungsmitteln werden jedoch nur sporadisch eingesetzt. (157) Untersuchungen auf Tallowamin finden unseres Wissens nach nicht statt.

Das Risiko für Glyphosat-Rückstände in Lebensmitteln nimmt mit der Häufigkeit der Anwendungen – Genpflanzen können mehrmals besprüht werden – zu. Auch das früher übliche Sprühen vor der Ernte führte zu besonders hohen Rückständen. Durch Winddrift können zudem auch Übertragungen auf (glyphosatfreie) Nachbarfelder, unter Umständen auch Bioanbau, stattfinden.

Das aufgesprühte Herbizid wird zunächst von den grünen Teilen der Pflanze aufgenommen. Später gelangt es auch in die Wurzeln und reichert sich vor allem in Samen (Getreide, Mais, Soja etc.) an. Glyphosat lässt sich nicht abwaschen und wird weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abgebaut. Eine beträchtliche Menge des Herbizids gelangt durch den Regen in den Boden, sofern nach dem Aufbringen Niederschlag fällt und die Substanz von der Pflanze noch nicht gänzlich aufgenommen wurde. Dort wird Glyphosat mit einer Halbwertszeit von 24 Tagen in sein vergleichbar toxisches Abbauprodukt AMPA abgebaut. AMPA ist jedoch im Gegensatz zu Glyphosat deutlich stabiler (mittlere Halbwertszeit von 419 Tagen). (169) Über das Bodenwasser kann dann wiederum eine Aufnahme in die Pflanzen erfolgen. Hinsichtlich der Versickerung in das Grundwasser wird das Risikopotenzial für Glyphosat und den Metaboliten AMPA als gering eingestuft. (170)

Gemäß BUND Brandenburg wurde aber in Gewässern, die direkt neben Äckern liegen, sowohl Glyphosat als auch das Abbauprodukt AMPA nachgewiesen. (160) Hier wirkt sich Glyphosat besonders giftig auf Amphibien, Fische und andere Wasserorganismen aus.

Im Boden selbst schädigt Glyphosat das Bodenleben, fördert krankheitserregende Pilze, beeinträchtigt die Aufnahme von Mikronährstoffen sowie die Krankheitsabwehr der Pflanzen und hat einen negativen Einfluss auf die Populationen von Regenwürmern und Spinnen. (157)

Für die meisten Obst- und Gemüsesorten wurden Glyphosat-Höchstgehalte [Maximum Residue Level (MRL)] entsprechend der unteren analytischen Bestimmungsgrenze (zumeist 0,1 mg/kg) festgesetzt. Für einige Ausnahmen – vornehmlich Pflanzen, in denen entsprechend höhere Rückstände gemessen werden – liegen die erlaubten Rückstandsgehalte jedoch deutlich höher (171):

  • 20 mg/kg für Gerste und Hafer, Sojabohnen und Sonnenblumenkerne
  • 10 mg/kg für Weizen und Roggen, Lein-, Raps-, und Senfsamen, Erbsen und Lupinen
  • 2 mg/kg für Bohnen und (Kräuter-)Tee
  • 0,5 mg/kg für Kartoffeln

Für das Abbauprodukt von Glyphosat, AMPA, existieren keine entsprechenden Höchstgehalte, obwohl AMPA-Gehalte bis zu 25 mg/kg gefunden wurden. (157)

Das CVUA Stuttgart untersuchte von 2010 bis Ende 2019 insgesamt 17.222 Proben Obst und Gemüse überwiegend europäischer Herkunft auf Rückstände von Glyphosat. (171) Wenig überraschend war, dass ökologisch erzeugtes Obst und Gemüse weniger häufig mit Glyphosatrückständen belastet war als konventionell erzeugte Ware. Ebenso traten geringere Belastungen in Proben der Europäischen Union im Vergleich zu Drittländern auf.

Auffällig waren Häufungen bei Getreideprodukten, Ölsaaten und Hülsenfrüchten. In 32 % der getesteten Hirse, 21 % der Leinsamen, 15 % der Linsen und des Buchweizens, bzw. 13 % der Erdnüsse wurden erhöhte Rückstände – mehr als 0,02 mg/kg und bis zu 9 mg/kg bei Leinsamen – gefunden. In den 15 getesteten Nahrungsergänzungsmitteln wurden keine Rückstände nachgewiesen.

Etwas anders verhält es sich mit Futtermitteln, wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Jahr 2011 veröffentlichte. (172) Im Zeitraum von mehr als 3 Jahren wurden 193 Proben untersucht und bei fast jeder zweiten Probe Glyphosat (22,3 %), AMPA (1,0 %) oder deren Kombination (21,8 %) gefunden. Am auffälligsten erwies sich Soja, bei dem circa 84 % der Proben Glyphosat mit Gehalten von bis zu 2,83 mg/kg enthielten. In 58 % dieser Produkte war darüber hinaus auch noch der Metabolit AMPA mit Gehalten von bis zu 2,92 mg/kg bestimmbar. Da Glyphosat über das Futter auf die Tiere und auch auf Milchprodukte übergehen kann, ist der hohe Anteil Glyphosat-belasteten Tierfutters durchaus auch für die Belastung des Menschen relevant.

Untersuchungen jüngeren Datums des Magazins Ökotests zeigen, dass die Belastungen nicht nachgelassen haben: Glyphosat wurde in jedem vierten Bier, in mehr als der Hälfte der getesteten Spaghetti und in Kräutertees nachgewiesen. (173–176)

Wir konnten glücklicherweise bislang weder in unseren Tees, noch in unseren Rohmaterialien für Nahrungsergänzungen und Superfoods Glyphosat nachweisen.

Mehr zu Pestiziden allgemein, den gesetzlichen Vorgaben und Belastungen in Lebensmitteln, Superfoods, Tees sowie Nahrungsergänzungen finden sie in Kapitel 4.

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