10. Cyanotoxine: Verunreinigungen mit Algentoxinen
Supplemente, die auf Mikroalgen basieren, enthalten häufig die Grünalge Chlorella vulgaris sowie die Cyanobakterien – früher Blaualgen genannt – Spirulina platensis und Aphanizomenon flos-aquae. Neben Schwermetall- und PAK-Belastungen sind Verunreinigungen mit Bakterientoxinen eine der Haupt-Kontaminationsquellen in Algenprodukten. Verunreinigungen mit toxinbildenden Bakterienstämmen kommen vor allem in Produkten vor, die Blaualgen (Cyanobakterien) enthalten, sogenannte blue–green algae food supplements (BGAs). Die mit Abstand bedeutendste Gruppe an Toxinen sind die sogenannten Microcystine, welche lebertoxische Wirkungen besitzen und im Verdacht stehen, krebserregend zu sein.
Verunreinigungen mit toxinbildenden Cyanobakterien
Spirulina und Chlorella werden häufig unter kontrollierten Bedingungen in künstlichen Becken angebaut. Die Anzuchtbedingungen können so reguliert werden, dass das Wachstum toxinbildender Spezies eingedämmt wird. Aphanizomenon flos-aquae hingegen wird hauptsächlich aus natürlichen Gewässern gewonnen – hier entfällt die Möglichkeit, regulierend auf das Bakterienwachstum einzuwirken. (308) Dementsprechend häufiger finden sich Kontaminationen mit Cyanotoxinen in Produkten, die Blaualgen enthalten.
Aphanizomenon flos-aquae ist ein gängiges Cyanobakterium für die Herstellung von kombinierten Blau-Grünalgen-Supplementen. Eine Hauptquelle für diese Algenart ist der Upper Klamath See in Oregon. Neben den gewünschten Bakterien kommen dort toxinbildende Stämme wie das Cyanobakterium Mikrozystis aeruginosa vor. (99,308) Dies ist besonders in den Sommermonaten von Bedeutung, wenn es zu sogenannten Algenblüten kommt. Hitze und viel Licht begünstigen dann das Algenwachstum – vor allem in flachen, nährstoffreichen Gewässern. In Oregon wurde für Algenprodukte ein Maximalgehalt von 1 μg/g Microcystin-LR, dem häufigsten Cyanotoxin, festgelegt. (308,309)
Generell kommen toxinbildende Cyanobakterien aber global in allen Regionen der Erde vor. Dementsprechend wurden Algenblüten unter anderem aus Australien, Brasilien, China, Portugal, Schweden und den USA gemeldet. (310) 40 bis 70 % der Algenblüten weltweit werden als toxisch eingestuft. Cyanobakterien lösen beim Menschen keine Infektionen aus, aber ihre Toxine führen akut zu gastrointestinalen Problemen, Fieber, Hautirritationen und Irritationen der Ohren, Augen, Hals und der Atmungsorgane. Bei chronischer Exposition können die Toxine die Leber schädigen und neurotoxische sowie tumorfördernde Wirkungen aufweisen. (311)
Neben der Tatsache, dass Kontaminationen durch toxinbildende Bakterien eingetragen werden, wurde auch nachgewiesen, dass A. flos-aquae selbst Neurotoxine produzieren kann. (309) Mengenmäßig scheint dies aber von untergeordneter Bedeutung zu sein.
Toxische Microcystine: akute und chronische Schäden
Microcystine sind zyklische Peptide, welche aus sieben Aminosäuren bestehen. Von den über 80 Strukturvarianten kann eine hepatotoxische Wirkung ausgehen. (99) Tumorfördernde Eigenschaften werden ebenfalls beschrieben, sodass Microcystine von der IARC als möglicherweise karzinogen eingestuft (Gruppe 2B) wurden. (311)
Neben den Microcystinen wurden in Oregon (2009) im Rahmen von Gewässerproben zur Zeit der Algenblüte weitere Cyanotoxine isoliert: vor allem Anatoxin-a, Cylindrospermopsin und Saxitoxine wurden neben den Microcystinen gefunden. (311) Cylindrospermopsin ist ein zyklisches Alkaloid, welches die Proteinsynthese hemmt. Anatoxine und Saxitoxine sind Alkaloide, die in erster Linie neurotoxische Eigenschaften besitzen. (311,312) Ein weiteres erwähnenswertes Cyanotoxin ist β-Methylamino-L-Alanin, kurz BMAA. Es hat starke neurotoxische Wirkungen. Über chronische Langzeitwirkungen ist bislang wenig bekannt, aber es wird mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Grenzwerte für Trinkwasser und Richtwerte für Lebensmittel existieren bislang nur für Microcystine – meist für die häufige Unterform Microcystin-LR. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Grenzwert für Trinkwasser von 1 µg/l für Microcystin-LR und einen TDI-Wert (tolerable daily intake) von 0,04 μg/kg Körpergewicht und Tag vorgeschlagen. (313) Auch die EFSA schließt sich mit einem Referenzwert von 0,4 μg/kg Körpergewicht und Tag für die subchronische Exposition an. (309) Health Canada hat einen Trinkwasser-Standard für Microcystin-LR von 1,5 µg/l publiziert. (314)
Produkte mit Blaualgen
Die EFSA gab im Jahr 2016 eine umfangreiche Analyse der existierenden Studien über Cyanotoxine in Auftrag. Es wird jedoch betont, dass viele Studien qualitative Mängel aufweisen und die Datenlage insgesamt zu gering ist, um wirklich zuverlässige Aussagen treffen zu können. Bezüglich Nahrungsergänzungsmitteln wurden die Ergebnisse aus vier Studien mit insgesamt 12 Produkten betrachtet. Die analysierten Produkte enthielten im Mittel 2.742 µg/kg (2,7 mg/kg) Microcystine. Ein Maximalwert von 18.400 µg/kg (18,4 mg/kg) konnte in einem Produkt festgestellt werden. Unter Hinzunahme der durchschnittlichen täglichen Verzehrmenge kam die EFSA zu folgender vorläufiger Einschätzung: Bei einer Tagesdosis von insgesamt 3,75 g und einem Toxingehalt von 2.742 µg/kg läge die tägliche Aufnahme bei 10 µg Microcystinen. Dies würde den TDI-Wert (tolerabel daily intake) überschreiten, läge aber unterhalb des Referenzwertes für subchronische Schäden. (309)
In einer Studie von Vichi et al. wurde festgestellt, dass reine Spirulinaprodukte frei sind von Verunreinigungen, wobei A. flos aquae basierte Produkte bis zu 5,2 µg/g (5,2 mg/kg) Microcystine enthalten. 40 % dieser Produkte überschritten den Grenzwert von 1 µg/g. In der Studie wurden insgesamt 17 in Italien erhältliche Algenprodukte getestet. (315)
In einer kanadischen Studie wurden ebenfalls 14 Spirulina- und vier A.-flos-aquae-Produkte auf ihren Gehalt an Microcystinen und anderen Bakterientoxinen getestet. Nur drei der Spirulinaprodukte enthielten Microcystine. Der Gehalt war mit maximalen 0,84 µg/g relativ gering. Im Gegensatz dazu enthielten alle untersuchten A.-flos-aquae-Produkte Microcystine mit höheren Gehalten von bis zu 8,2 µg/g. (316) In dieser Studie wurden noch weitere Cyanotoxine getestet. ANA-a und dessen Abbauprodukte wurden in sechs Supplementen gefunden. Außerdem waren geringe Gehalte des stark neurotoxischen BMAA in zwei A.-flos-aquae-Produkten vorhanden.
A.-flos-aquae-Produkte sind aufgrund ihres Ursprungs aus natürlichen Gewässern eindeutig häufiger mit Bakterientoxinen belastet als andere Mikroalgenprodukte. Auch wenn die von WHO und EFSA ermittelten Grenzwerte aufgrund der geringen Datenlage vorläufig sind und die tatsächlichen Auswirkungen subchronischer Exposition auf den Menschen noch unklar sind, konnte gezeigt werden, dass einige A.-flos-aquae-Produkte am Markt deutlich oberhalb dieser Grenzwerte liegen.
Die freiwilligen Laborkontrollen der Produkte – und damit die Sicherheit der Konsumenten – obliegt aber der Entscheidung der Produzenten. Wir beziehen alle A. flos-aquae basierten Algenprodukte von einem führenden Hersteller, der jede Charge selbst testet und wir überprüfen dies regelmäßig in einem unabhängigen Labor – ohne bislang erhöhte Werte oder gar Grenzwertüberschreitungen festgestellt zu haben. Unsere Chlorella- und Spirulinasupplemente werden unter strengstens kontrollierten Anbaubedingungen hergestellt, um den Eintrag von Fremdalgen und anderen Verunreinigungen von vornherein zu verhindern.
Cyanotoxine: Das Wichtigste zusammengefasst ● Verunreinigungen mit Bakterientoxinen sind neben Schwermetall- und PAK-Belastungen eine der Hauptkontaminationsquellen in Algenprodukten. ● Verunreinigungen mit toxinbildenden Bakterienstämmen kommen vor allem in kombinierten Grün-Blaualgen-Produkten vor, die das Cyanobakterium Aphanizomenon flos-aquae enthalten. ● Die mit Abstand bedeutendste Gruppe an Cyanotoxinen sind die sogenannten Microcystine, welche lebertoxische Wirkungen besitzen und im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. ● Neben den Microcystinen können vor allem in Aphanizomenon flos-aquae Supplementen noch weitere Cyanotoxine vorhanden sein, die selten getestet werden. ● Grenzwerte existieren in Trinkwasserverordnungen und auf Lebensmittel bezogen für das häufigste Cyanotoxin Microcystin-LR. ● Studien belegen, dass Produkte, die das Cyanobakterium Aphanizomenon flos-aquae enthalten, häufig die vorgegebenen Grenzwerte deutlich überschreiten. ● Spirulina- und Chlorellaprodukte sind weitaus geringer belastet; meist unterhalb des EU-Grenzwerts für Microcystin-LR. |