Neuer Kunde? Starten Sie hier.
  1. Erneut bestellen
  2. Bestellstatus
  3. Bestellung ändern
  4. Rücksendung, Reklamation
  5. Kontaktieren Sie uns

25.1.3 Antimikrobielle Substanzen in aktiven Verpackungen

Aktive Materialien sind so definiert, dass sie gezielt Stoffe an das verpackte Lebensmittel oder die das Lebensmittel umgebende Atmosphäre abgeben (Release) beziehungsweise entziehen (Adsorber). (699) Dabei kann die aktive Komponente in die Verpackung integriert sein oder separat vorliegen (z. B. als Sachet). Adsorbersysteme werden beispielsweise eingesetzt, um Wasser, Sauerstoff oder Ethylen zu binden und sind meist als separate Sachets in einer Verpackung zu erkennen. Als Substanzen werden Polyacrylate zur Feuchtigkeitsbindung bei Fleischprodukten, Palladium oder Aktivkohle zur Ethylenabsorption bei Gemüse und Obst oder in zunehmendem Maße sulfit- bzw. eisenbasierte Sauerstoffscavenger bei einer Vielzahl von Lebensmitteln eingesetzt. (699) Releasesysteme hingegen enthalten überwiegend antimikrobielle Substanzen. Hier gibt es verschiedene Administrationswege: als Layer auf die Innenseite der Verpackung aufgebracht, in der Folie selbst oder als Patch. (700)

Dabei können die Substanzen zum Verbleib auf der Verpackungsoberfläche bestimmt sein (nicht-migrierend) oder als migrierende Substanzen unter kontinuierlicher Freisetzung an die Umgebungsatmosphäre und das Lebensmittel abgegeben werden. Spätestens bei dieser Art der Anwendung wird der Verbraucher über das Lebensmittel den teilweise toxischen Substanzen ausgesetzt. Inwieweit auch aus nicht-migrierenden Systemen ein geringfügiger Übergang auf Lebensmittel stattfindet, ist unklar. Bedenklich ist die unbeabsichtigte Freisetzung potenziell schädlicher Stoffe durch unsachgemäße Behandlung der Verpackung wie Hitzeeinwirkung oder Beschädigung von Patches. Ein möglicher Vorteil dieser Verpackungen ist die geringere Belastung des Verbrauchers mit direkt dem Lebensmittel zugesetzten Konservierungsmitteln. Durch die langsame Abgabe der Substanzen und deren Wirkung an der Oberfläche des Produkts kommt es insgesamt zu weniger Interaktionen mit dem Lebensmittel selbst, wodurch eine geringere Belastung und mehr Wirkstärke erreicht wird. (700,701)

Bei vielen Nahrungsergänzungsmittelherstellern sind aktive Verpackungsbestandteile mittlerweile eine gängige Lösung. Häufig sind feuchtigkeits- und/oder sauerstoffabsorbierende Sachets in den Verpackungen zu finden. Weniger auffällig sind Lösungen, die das entsprechende Material als gesonderte Schicht im Verpackungsmaterial einbringen oder in der Dichteinlage des Deckels verarbeitet sind. In allen Fällen erfährt der Verbraucher jedoch meist nicht, welche Stoffe sich in seiner Verpackung verbergen, denn die Bestandteile aktiver Verpackungen sind nicht kennzeichnungspflichtig. Grundsätzlich dürfen zwar nur zugelassene, von der EFSA bewertete Stoffe eingesetzt werden, jedoch zeigt die EU Guideline, dass Lieferanten, während des Zulassungsverfahrens ihrer aktiven Verpackungen, auch andere Verpackungslösungen auf den Markt bringen können, sofern alle geltenden europäischen und nationalen Vorschriften eingehalten werden. (701–703) Voraussetzung nach Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 ist, dass sie keine Risiken für die menschliche Gesundheit darstellen. (704) Die von der Europäischen Kommission angestrebte Positivliste würde diesen Gesetzeslücken Einhalt gebieten. Im Moment ist jedoch nicht klar, wann diese Liste tatsächlich verabschiedet wird.

Auch die in Kapitel 22 ausführlich beschriebenen Nanopartikel finden ihren Einsatz in Lebensmittelverpackungen. Die am häufigsten eingesetzten Nanomaterialien mit antibakterieller Wirkung sind nach Aussage der EFSA Silber, Chitosan, Zinkoxid und Nisin. Ob Nanopartikel in ihrer Anwendung allerdings sicher sind, ist noch lange nicht geklärt. Fest steht mittlerweile, dass die Nanopartikel aus dem Verpackungsmaterial migrieren. Mehrere Studien belegen, dass die europäischen Maximalwerte zwar nicht überschritten werden, doch ob Nanopartikel, selbst in geringster Dosierung, nicht doch eine gesundheitsschädliche Wirkung besitzen, kann derzeit niemand beantworten. (705)

Laut einer Analyse des Umweltbundesamtes des Jahres 2017 sind für den deutschen Markt vor allem Sauerstoff- und Wasser(dampf)-Absorber relevant. (706) Unter den eingesetzten Substanzen kommen in Deutschland vor allem Eisenverbindungen als Sauerstoffscavenger und Silica-Beutel oder Silicagele (Kieselerde) bzw. Stärkepolymere als Feuchtigkeitsabsorber zum Einsatz. (44) Um Keime zu reduzieren, werden insbesondere Silberverbindungen – oft als Nanopartikel –, organische Säuren oder andere Konservierungsmittel wie Bakterizide und Fungizide eingesetzt. (702) Alternativ sind pflanzliche Substanzen wie Thymol oder Extrakte aus Rosmarin und Knoblauch Gegenstand der Forschung. (700,707) Häufig kommen auch Flaschenverschlüsse oder Kronkorken mit Natriumsulfit-Linern für Bier, Menüschalen mit eisenbasiertem Absorber für sterilisierbare Fertiggerichte, PET-Flaschen mit Kobaltverbindungen für Bier und Fruchtsaft vor. In der Analyse des Umweltbundesamts wird vor allem die schlechte Verwertbarkeit der hochmodifizierten Verpackungen bemängelt. (706) Während die Produzenten der Spezialkunststoffe argumentieren, dass sie durch die Verringerung der Lebensmittelabfälle einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, bemängelt das Umweltbundesamt, dass die mit Multilayern, Blends oder mit Additiven versehenen Kunststoffe nicht der Verwertung zugeführt werden können. Hier ist offenbar noch an der Nachhaltigkeit der neuartigen Verpackungen zu arbeiten.

In anderen Ländern sieht es jedoch ganz anders aus. Europa ist mit strengeren Reglementierungen deutlich zurückhaltender mit dem Einsatz antimikrobieller Stoffe als z. B. Japan oder auch die USA. In Japan, dem führenden Land der aktiven Verpackungen, wird seit vielen Jahren unter anderem Wasabi als mikrobielle Substanz verwendet. (702) Auch Chitosan, eine antibakterielle Komponente, die aus den Schalen von Krabben – einem Abfallprodukt – gewonnen wird, und zahlreiche synthetisch hergestellte Chemikalien werden verwendet. Unter den chemisch hergestellten Substanzen befinden sich Verbindungen wie chlorinierte Phenoxykomponenten und Chlordioxid. (708)

Triclosan ist solch eine chlorinierte Phenoxyverbindung. Die Substanz steht im Verdacht, eine Erhöhung des Risikos für Fehlgeburten, Asthma und Allergien hervorzurufen sowie vermutlich Entzündungen und Tumore der Leber zu induzieren. (709) Des Weiteren besteht der Verdacht, dass Triclosan hormonell aktive Eigenschaften besitzt. Gemäß einer Europäischen Kommission sollte Triclosan daher nicht in die Positivliste der Zusatzstoffe für Lebensmittelkontaktmaterialien aufgenommen werden. In Deutschland ist die Verwendung von Triclosan bereits seit September 2009 verboten. (710)

Die Anwendung von Chlordioxid ist ebenfalls umstritten und in Europa seit 2009 zwar für die Trinkwasseraufbereitung, aber nicht mehr für die Verwendung in Lebensmittelkontaktmaterialien zugelassen. Die Wirkung von Chlordioxid beruht auf der stark oxidierenden Eigenschaft des Stoffes, weshalb es auch als Bleichmittel für Textilien eingesetzt wird. Chlordioxid zerfällt bei Kontakt mit Lebensmitteln zu Chloridionen und Sauerstoff. (711) Es wirkt nicht nur antibakteriell, sondern ist im Gegensatz zu Chlor auch gegen Viren und viele Einzeller wirksam. Ein weiterer Vorteil gegenüber anderen Chlorverbindungen ist, dass es deutlich weniger halogenierte Kohlenwasserstoffe bildet, also weniger potenziell krebserregende Substanzen. (711,712) In Tierversuchen wurde allerdings eine stark nierenschädigende Wirkung nachgewiesen, weshalb Chlordioxid in Deutschland nicht mehr als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist, obwohl weder EFSA noch BfR eine Gefahr für die Gesundheit sahen. (703,713) Im Januar 2009 reichten die USA sogar eine Klage vor dem Dispute Settlement Body der WTO ein, da weder die EU-Kommission noch die Mitgliedstaaten eine seriöse, auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte Begründung für das Verbot vorgelegt hätten. (714)

Dass es auf dem Gebiet aktive Verpackungen auch alternative Entwicklungen gibt, verdeutlicht das Projekt NanoPack. Das von der EU geförderte Projekt hat eine Folie mit mineralischen Nanotubes entwickelt, welche, ohne in direktem Kontakt mit dem Lebensmittel zu sein, kontinuierlich natürliche, antimikrobielle Extrakte aus Oregano und Thymian freisetzt. In Versuchen blieb Brot um drei Wochen länger haltbar. Die Haltbarkeit von Kirschen wurde um 40 % und im Falle von Käse um 50 % verlängert. Dabei soll die Folie vollständig recyclebar sein. Inwiefern die Sicherheit der eingesetzten Nanotubes überprüft wird, bleibt abzuwarten. In einer Presseveröffentlichung von November 2019 heißt es aber, das Produkt sei bereits kurz vor der Marktreife. (715)

Für eine Übersicht anderer bedenklicher Substanzen in Verpackungsmaterialien siehe Kapitel 25.

Ready to explore our store or continue to our German(English) store?

Loading...