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30.3.4 Bio-Siegel

Streng genommen fallen Kosmetikartikel mit ökologisch hergestellten Rohstoffen nicht in den Geltungsbereich der EG-Öko-Verordnung. Es existieren auch keine anderen allgemein rechtlichen Vorgaben zur Bio-Kennzeichnung von Kosmetika. Ein verbindliches, gesetzliches Siegel existiert also für Kosmetika anders als für Lebensmittel [Verordnung (EG) Nr. 834/2007] zurzeit nicht. Das bedeutet auch, dass die Begriffe „bio“, „öko“ für Kosmetika nicht geschützt sind.

Dennoch gibt es einige Naturkosmetik-Siegel, die für grundlegende ökologische und auch menschenrechtliche Aspekte stehen. Die bekanntesten Naturkosmetik-Siegel sind BDIH, NATRUE und ECOCERT bzw. der seit 2017 bestehende Zusammenschluss COSMOS zu dem auch BDIH und ECOCERT gehören. Selten gibt es auch ein Naturland- oder Demeter-Siegel für Naturkosmetik.

Das Siegel Kontrollierte Naturkosmetik des BDIH definiert anerkannte Mindestkriterien für Naturkosmetik. Das etwas seltenere Siegel ECOCERT bietet insgesamt höhere Standards – ebenso wie das Siegel NATRUE, das ähnlich weit verbreitet ist wie das BDIH-Siegel. Allerdings schneidet das NATRUE-Siegel in Bezug auf Palmöl relativ schlecht ab.

Alleinig beim BDIH findet man konkret bindende Aussagen zu Palmöl: Hier müssen Öle und Extrakte der Ölpalme von zertifiziert ökologischen Pflanzen stammen. Für das neue COSMOS- und das NATRUE-Siegel gilt mindestens das Massebilanzmodell, d. h. im Endprodukt befindet sich zu einem bestimmten Prozentsatz Palmöl aus zertifizierten Quellen. Eine besondere Herausforderung stellen die von der chemischen Industrie hergestellten Palmölderivate dar. Für diese anscheinend schwer ersetzbaren Spezialstoffe benennt NATRUE sogar, dass geringerwertige Qualitäten – sogar ohne RSPO-Siegel – verwendet werden dürfen – insofern keine Alternativen in besserer Qualität vorhanden sind.

COSMOS

Seit Anfang 2017 haben sich BDIH, ECOCERT, Cosmebio, ICEA und Soil Association zum weltweit größten System für Zertifizierung von Natur- und Biokosmetik COSMOS zusammengeschlossen. In mehr als 60 Ländern sind die Siegel mit der COSMOS ORGANIC oder COSMOS NATURAL-Signatur mit über 21.000 Produkten und mehr als 7.000 Bestandteilen vertreten. (832) Seit 2017 dürfen neue Produkte der fünf Gründungsmitglieder ausschließlich nach dem COSMOS-Standard zertifiziert werden und dem bekannten Logo des Zertifizierers, welcher auch weiterhin die Prüfung durchführt, wird die COSMOS-Signatur – COSMOS NATURAL für Naturkosmetik oder COSMOS ORGANIC für Biokosmetik hinzugefügt. Produkte, die vor dem Stichtag im Januar 2017 entwickelt wurden, dürfen aber weiterhin ihr Siegel von BDIH, ECOCERT und Co. ohne den COSMOS-Zusatz behalten.

Ab Januar 2019 fordert COSMOS die Einhaltung einer neuen Regelung für nachhaltiges Palmöl. Neuentwicklungen dürfen seitdem ausschließlich Palmöl, Palmkernöl und deren Derivate aus zertifizierter Quelle (certified sustainable palm oil – CSPO) enthalten. Die Vorgaben folgen dabei dem RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil), wobei mindestens das Massenbilanz-Lieferkettenmodell zum Tragen kommt.

Biokosmetik (COSMOS ORGANIC) muss zusätzlich zum Naturkosmetik-Standard (COSMOS NATURAL) hohe Anteile an Bestandteilen aus biologischem Anbau enthalten: mindestens 95 % der physikalisch gewonnenen pflanzlichen Bestandteile müssen aus Öko-Landwirtschaft stammen. Palmöl für COSMOS ORGANIC Produkte muss biologisch erzeugt sein. (832)

BDIH

Das bekannteste Naturkosmetik-Siegel ziert über 13000 Produkte. Naturkosmetikhersteller, die auf das BDIH-Siegel setzen, sind zum Beispiel Sante, Logona oder Dr. Hauschka. Seit 2001 wird das Siegel vom Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Re­formwaren und Körperpflegemittel (BDIH) verliehen. (833)

Die Rohstoffe müssen “so weit wie möglich” aus kontrolliert biologischem Anbau kommen – ohne dass ein Anteil definiert wäre. Lediglich wenn das Produkt zusätzlich das Wort „Bio“ im Namen trägt, müssen 95 % der Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Neben Reinheitskriterien – keine künstlichen Farb- und Konservierungsstoffe, Silikone oder Erdölprodukte, keine Gentechnik – und Tierschutz – keine Inhaltsstoffe aus toten Wirbeltieren, keine Tierversuche – umfasst das Siegel auch lose formulierte Nachhaltigkeitsaspekte: umwelt- und ressourcenschonende Herstellung sowie sparsame Verpackungen aus recycelten Materialien.

In Bezug auf Palmöl zeigt sich das BDIH-Siegel jedoch verbindlich: Fünfzehn festgelegte Rohstoffe müssen aus zertifiziert ökologischen Pflanzen stammen, darunter Olive, Jojoba oder Soja, aber auch Öle und Extrakte der Ölpalme.

ECOCERT

Die ECOCERT-Group ist ein Kontroll- und Zertifizierungsverband für ökologische Produkte, der 1991 in Frankreich gegründet wurde. Wie beim COSMOS-Siegel gibt es zwei Varianten:

„Naturkosmetik“ steht für 95 % Naturstoffe und mindestens 50 % pflanzliche Bio-Rohstoffe.

„Ökologische Naturkosmetik“ enthält mindestens 95 % Naturstoffe und 95 % pflanzliche Bio-Rohstoffe. Nanopartikel sind in beiden Zertifizierungsstufen verboten, ebenso gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe. Andererseits erlaubt es bis zu 5 % an chemisch-synthetischen Zutaten, die beim BDIH-Logo ausgeschlossen sind.

Spezielle Kriterien zu Palmöl sucht man im Kriterienkatalog zwar vergeblich, aber: Die Herkunft aller Materialien muss rückverfolgbar sein, was speziell in Bezug auf Palmöl für das höchstrangige Handelsmodell IP/SG spricht. Strenge Kriterien legt ECOCERT zudem zur Optimierung des Emissions-, Abfall- und Energiemanagements an. Auch zur Reinigung der Anlagen dürfen nur Reinigungs- und Desinfektionsmittel verwendet werden, die von ECOCERT geprüft wurden. Zudem müssen die Verpackungen bestimmte Kriterien erfüllen und recycelbar sein. (834)

NATRUE

Das NATRUE-Siegel ist ein nicht gewinnorientierter, nach belgischem Recht eingetragener Verein. Das Siegel ziert über 7000 Produkte mit mehr als 450 genehmigten Rohstoffen. Bekannte Naturkosmetik-Marken wie Weleda, Dr. Hauschka, Primavera, Farfalla oder Logocos sind Mitglieder des 2007 gegründeten Vereins. Das NATRUE-Siegel gibt es in drei Qualitätsstufen. Bei der Einführung des Siegels gab es ein Drei-Sterne-System, das die Zertifizierungsstufe leicht erkennbar machte. Seit 2010 kann nur noch mit dem QR-Code ermittelt werden, welche Stufe das jeweilige Produkt hat. NATRUE mit einem Stern entspricht in etwa den BDIH-Kriterien. Bei den beiden höheren Kategorien ist ein Bioanteil der Naturstoffe von 70 (zwei Sterne) und 95 Prozent (drei Sterne) vorgeschrieben. (835)

Zudem stellen die Kriterien des NATRUE-Labels Anforderungen an Verpackungen, wobei stets auf umweltschonende Praktiken geachtet werden soll. Das ansonsten eher strenge Siegel setzt bezüglich Palmöl leider eher niedrige Standards. NATRUE verlangt, dass – wo immer möglich und verfügbar – natürliche oder naturnahe Rohstoffe aus Palmöl und Palmkernöl mindestens aus RSPO oder einer anderen zertifizierten nachhaltigen Lieferkette und Massenbilanzqualität (MB) stammen müssen – idealerweise in Segregated und Identity Preserved Qualität. Wenn keine Alternativen in MB-Qualität erhältlich sind, darf der Standard aber sogar geringer sein. Dies dürfte in erster Linie auf einige Palmölderivate zutreffen.

Demeter

Demeter steht für Öko-Landbau mit anspruchsvollen Vorgaben. Das Demeter-Siegel zertifiziert nach biologisch-dynamischen Richtlinien und berücksichtigt dabei auch Nachhaltigkeitsaspekte. Das Demeter-Siegel wird vergeben, wenn ein Produkt mindestens 95 % Bio- und 90 % Demeter-Zutaten enthält. Die Gesamtbetriebsumstellung auf Demeter ist vorgeschrieben und neben strikten Vorgaben zu Pflanzenschutzmitteln ist auch die Düngemenge insgesamt beschränkt.

Naturland

Naturland setzt bei Anbau und Verarbeitung von Nahrungsmitteln sowohl auf ökologische Standards als auch soziale Aspekte, wie den Ausschluss von Kinderarbeit oder die Wahrung der Menschenrechte. Chips und Gebäck mit Bio-Palmöl (Serendipalm) tragen das Naturlandsiegel. Weniger bekannt ist, dass das Siegel auch für Kosmetik gilt.

Im Unterschied zu den Mindeststandards des EU-Bio-Siegels ist bei Naturland die Umstellung des Gesamtbetriebs auf Bio vorgeschrieben und die Düngemenge ist begrenzt. Naturland gibt an, dass die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe über alle Handelsstufen bis zum Erzeugerbetrieb sichergestellt ist, was in Bezug auf Palmöl dem höchsten Handelsmodell IP entspricht. (836)

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